11. Februar 2020
Arbeiten darf Spass machen
von Dino Beerli, Superloop Innovation
Auch im 21. Jahrhundert wird arbeiten zu oft auf Geld verdienen reduziert. So überrascht es nicht, dass nur zwei von zehn Personen grosse Freude bei ihrer Tätigkeit empfinden. Was fehlt, damit der Wunsch nach einer erfüllenden Arbeit Realität wird? Denn gerade im Kontext der Neuen Arbeit und der Digitalisierung eröffnen sich uns Menschen nie dagewesene Möglichkeiten, Arbeit individuell und zufriedenstellend zu gestalten.
Die Ursache liegt nicht im Äusseren, sondern in unserer menschlichen Software, die ein Update braucht. Unsere Vorstellung vom Wert der Arbeit ist im Zeitalter der Industrialisierung stecken geblieben. Wir leben zwar im 21. Jahrhundert, in der Individualisierung und Freiheit zum Allgemeingut gehören, doch sind wir unfähig unsere Freiheiten zu nutzen. In unseren Köpfen hausieren nach wie vor hindernde Wertesysteme wie «arbeiten darf keinen Spass machen» oder «mach Karriere». Diese Arbeitsmoral, die ihre Wurzeln im Protestantismus des 16. Jahrhundert hat, hat unserer westlichen Gesellschaft einen einzigartigen Wohlstand beschert – beispielsweise verdienen die Schweizer 2019 fünf Mal mehr als noch 1969 – doch stehen sie der Entwicklung der Arbeit, im Sinne einer erfüllenden Tätigkeit, im Weg.
Für diesen Schritt, das Update unseres Arbeitsethos, möchte ich unserem «Design Your Life» Ansatz und dem Innovation-Toolbook «Geilzeitarbeit. Arbeit neu denken» eine Hilfestellung bieten, indem ich aufzeige, welche historisch gewachsenen Vorstellungen unserem Glück im Wege stehen und wie man mit der Innovationsmethode Design Thinking sein tägliches Tun gestalten kann, damit es zur Bereicherung für ein wertvolles Leben wird.
Menschen wollen arbeiten
Wahrscheinlich hatten auch Sie schon mal den Gedanken «Ein Leben ohne Arbeit wäre besser». Doch ein solches Leben wäre fade und sinnentleert. Wir Menschen wollen arbeiten, einfach nicht so, wie wir es heute tun. Wir wollen tätig sein, etwas erschaffen, gebraucht werden und durch unsere Arbeit Teil einer Gemeinschaft sein. Keine Arbeit ist nicht die Lösung, sondern vielmehr die kreative Neugestaltung derselben. Hier zwei von insgesamt 33 Design Thinking Tools aus dem Tool-Book:
Altruismus ist der beste Egoismus. Die Neurowissenschaften zeigen, dass Menschen, die sich für andere engagieren, glücklicher sind. Fragen Sie sich deshalb, wie Ihr Beitrag für andere sein könnte ohne in die Selbstlosigkeit zu fallen: Tun sie mehr, was sie gut können; was ihnen Freude bereitet; und was anderen einen Dienst erweist.
Do what you want. Machen Sie zur Steigerung Ihrer Kreativität folgendes Gedankenspiel: Sie kommen wie jeden Morgen an Ihre Arbeit. Doch die Tür ist verschlossen, die Lichter sind aus. Da liegt ein Zettel! Sie falten ihn auf. Da steht: «Die Firma hat geschlossen. Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat haben keine Lust mehr. Das gesamte Firmenkapital wurde auf die Mitarbeitenden verteilt. Sie sind also reich. Tun Sie endlich, was Sie schon immer wollten.» Womit beginnen Sie? Was tun Sie danach? Zum Schluss fragen Sie sich, worum es Ihnen dabei wirklich geht und wie Sie den Kern dieser Anliegen bereits heute in Ihre Arbeit einbauen könnten.
Meine eigenes «Life Design»
Ich bin Inhaber und Geschäftsführer einer erfolgreichen Innovationsfirma. Der Blick auf unsere Zahlen zeigt, dass es sehr gut läuft. Ich werde für Referate, Dozentenstellen und Artikel angefragt. Nebenher bin ich passionierter Bergsteiger und Outdoor-Sportler, was das Bild vom erfolgreichen Jungunternehmer vervollständigt. Das tönt wie aus dem Bilderbuch. Jedoch ist es völlig irrelevant.
Rentabilität ist eine notwendige Voraussetzung, um existieren zu können. Erfolg hilft, um mehr Wirkung für unser Anliegen zu erzielen. Doch geht es mir im Kern um etwas ganz anderes. Arbeiten ist für mich eine Spielwiese, um mit inspirierenden Menschen tolle Dinge zu erschaffen, daran Freude zu haben und meine Existenz, wenn auch a priori sinnlos, als etwas Sinnvolles zu empfinden.
Ich werde täglich von einseitigen Erfolgsgeschichten abgelenkt: Startups, die nun Millionen verdienen. Berufskollegen, die auf der Anerkennungswelle reiten. Deshalb frage ich mich täglich, worauf ich einmal zurückschauen möchte und was mir wirklich wichtig ist. Ist es die Anerkennung der Öffentlichkeit, die mich in Kürze wieder vergisst, sobald ich nicht mehr CEO bin, oder ist es das Leuchten in den Augen der Menschen, die ich in unseren Innovationsprojekten begleiten darf. Ist es die Zahl, die jeden Monat auf meinem Gehaltsauzug steht oder die vielen Begegnungen mit spannenden Menschen, egal ob es sich dabei um Verwaltungsräte, Büezer oder Jugendliche handelt. Ist es die volle Agenda, die mir ein illusorisches Gefühl von Wichtigkeit gibt, oder die Freiheit auch mal Luft für anderes zu haben?
Der Begriff «Geilzeitarbeit» ist deshalb für mich zum einfachen Indikator für mein tägliches Wirken geworden. Ein Hilfsmittel, wie ich mich auf das Wesentliche fokussieren kann, indem ich mir vor Augen führe, wie ich im Grossen wie im Kleinen dafür sorgen kann, dass ich und meine Mitmenschen eine geile Zeit haben. Eine Zeit, die Freude bereitet, die sinnvoll eingesetzt ist und die die Welt ein klein wenig besser macht.
Übrigens ist der Begriff Geilzeitarbeit nur ein Wortspiel mit der Teilzeitarbeit. Ein T wird durch ein G ersetzt, doch das Wort bekommt sofort eine neue Qualität. Drücken die Konzepte der Vollzeit- und der Teilzeitarbeit nur aus, wie viel Zeit man an der Arbeit verbringt, so regt das Konzept der Geilzeitarbeit zur Reflexion an, ob man dabei auch eine gute oder eben «geile» Zeit hat.
Die Unglücksformel
Und zum Schluss, nur für Sie, weil Sie vielleicht keine Zeit und Musse für das Buch haben, fasse ich Ihnen die Big Fives für das erfolgreiche Unglücklichsein zusammen:
- Tun Sie nie, was Ihnen wichtig ist, sondern setzen Sie alles auf Geld und Karriere. Seien Sie dabei stets überzeugt, dass es Ihnen «oben» besser als «unten» gehen wird.
- Suchen Sie Ihre höhere Bestimmung und Berufung. Streben Sie immer nach Einzigartigkeit und seien Sie niemals glücklich darüber, einfach Mensch sein zu dürfen.
- Sorgen Sie dafür, dass immer etwas fehlt, dass es gerade jetzt noch nicht 100% stimmt. Seien Sie niemals zufrieden mit dem Hier und Jetzt.
- Identifizieren Sie systematisch die Dinge, die Sie nicht beeinflussen können und hören Sie niemals auf, sich darüber zu enervieren.
- Nehmen Sie das Leben sehr persönlich. Vor allem die unangenehmen Dinge, die Ihnen widerfahren. Und unterlassen Sie dabei jede Gemütsregung, die Humor gleich kommen könnte.
Folgen Sie diesen Regeln tunlichst und ich kann Ihnen versichern, Sie werden eine «Scheisszeitarbeit» haben.
Ihr Unglücksschmied, Dino Beerli
Disclaimer: Dieser Artikel erscheint im Kontext der Arbeitswelten-Konferenz von swissICT am 26. März 2020 in Zürich. Der Autor Dino Beerli wird an der Konferenz das Thema noch näher vorstellen in seinem eigenen Slot. Das gesamte Programm sowie Tickets finden Sie unter www.swissict-arbeitswelten.ch.
Mitglieder von swissICT sind zu vergünstigten Konditionen dabei, genauso wie Mitglieder von swissstaffing, HR Swiss, ZGP sowie KV Zürich.
Autor: Dino Beerli (*1980) studierte an der Universität Lausanne und Granada/Spanien Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, an der Universität Zürich angewandte Psychologie. Mit seiner Firma Superloop Innovation begleitet der Experte für Innovation und neue Arbeit Unternehmen bei der Entwicklung von Innovation und agiler Zusammenarbeit, auch lanciert er eigene Projekte in den Bereichen Bildung, soziale Innovation sowie kreative Job- und Lebensgestaltung genannt «Design Your Life».
Webseite: www.superloop.ch | www.geilzeitarbeit.ch
Bild: zvg / Dino Beerli