18. Oktober 2019

SAFe und UX – Erkenntnisse zur Integration von User Experience Design

Am 4. September lud die swissICT Fachgruppe User Experience zum Event. Thema: Wie vereinbart man Agilität und User Experience.

Open Space vom 4. September 2019

von Daniel Boos, Rolf Huber & Patrick Labud

Themen wie Agilität und User Experience Design haben an in der Software-Entwicklung enorm an Wichtigkeit gewonnen. Um technische und organisatorische Abhängigkeiten in grossen Projekten besser zu managen, setzen verschiedene Unternehmen auf agile Frameworks wie SAFe (Scaled Agile Framework). Gleichzeitig verlangt die Wirtschaft nach Lösungen, welche die Benutzer und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Wie kann also nutzerzentrierte Entwicklung und User Experience Design in einem Framework wie SAFe umgesetzt werden?

Um sich über Erkenntnisse und Erfahrungen rund um User Experience Design und dem agilen Framework SAFe (Scaled Agile Framework) auszutauschen, hat die Fachgruppe UX von SwissICT zu einem OpenSpace am 4. September an der ZHAW eingeladen. Gekommen sind über 60 UX-affine Personen aus unterschiedlichen Firmen, welche teilweise schon mehrjährige Erfahrungen mit dem agilen Framework SAFe haben, kurz vor einer Einführung stehen oder bisher nur davon gehört haben.

Den Einstieg machte Angie Born von der HSLU mit einem Impulsreferat zur von ihr als UX-Verantwortliche begleiteten Einführung von SAFe in einer australischen Grossbank. Sie zeigte auf, wie sie und ihr Team sich über 3 Iterationen einer Lösung genähert haben und wie UXler am besten im SAFe Framework eingesetzt werden (Slides der Präsentation).

Als besonders nützlich erwies sich dabei, klar zwischen unterschiedlichen UX-Rollen, wie bspw. Visual Design, Interaction  Design und UX Architects zu unterscheiden. Jede dieser Subrollen wiederum passt gut in die verschiedenen SAFe-Ebenen. So passen UX Architects auf die Ebene Portfolio gemeinsam mit den Enterprise Architects, während Visual Designer eng mit dem Entwicklungsteams zusammenarbeiten.

Organisiert wurden die UXler entweder als Chapters oder dann organisationsübergreifend als Gilde gemäss dem Spotify Modell. Zusätzlich etablierten sie das Thema DesignOps neben den DevOps auf der Programm-Ebene von SAFe. Die grössten Herausforderungen aus Sicht von Angie Born waren die tiefe UX-Maturität innerhalb  des Unternehmens sowie das unterschiedliche Verständnis der UX-Rollen und der Stellenwert der Benutzenden.

Die zu vereinfachte Darstellung von Lean UX führt zu einer Verwässerung und Deprofessionalisierung des Themas, weshalb es wichtig ist, genügend gute UX-Experten zu haben und auch in die Qualitätskontrolle zu investieren. Dazu gehört auch User Research und Testing, welches häufig zu kurz kommt. Schliesslich gibt es nicht einen Ort für UX, sondern UX findet auf allen Ebenen statt.

Nach dem Einstieg wurden mögliche OpenSpaces zu spezifischen Themen vorgestellt, die in den jeweiligen Gruppen diskutierten wurden. Die Erkenntnisse aus den Diskussionen wurden am Schluss im Plenum vorgestellt. 

Auf welchen Ebenen braucht es UX?

Rolf Huber von der Eidgenössischen Zollverwaltung moderierte die Gruppe, welche der Frage nachging, wie, von wem und wieviel UX auf den jeweiligen Ebenen von SAFe benötigt werden. Gestartet wurde der rege Austausch mit einer SAFe 4.6 Landkarte, welche zuerst mit verschiedenen Aufgaben der UXler bestückt wurde.

Auch wenn der Wissensstand und die Erfahrungen von UX und SAFe sehr unterschiedlich waren (in der Gruppe war von «Noch nie gesehen, noch nie gemacht» bis hin zu erfahrenen UX- und SAFe-Coaches alles vorhanden), waren sich alle rasch einig, dass es UX auf allen Ebenen braucht.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion waren:

  • Klar definierte Verantwortlichkeiten sind notwendig. UX funktioniert nur, wenn alle verstehen, wer für was verantwortlich ist und woher welche Vorgaben kommen.
  • Jede Aufgabe muss, in verschiedenen Granularitäten, auf jeder Stufe gemacht werden. So reicht es z.B. nicht, die Nutzerforschung nur auf Portfolio Ebene oder gar ausserhalb zu betreiben. Klar ist, je genereller ein Thema geklärt werden muss (z.B. Design System) desto früher muss es gestartet werden.
  • Um die genannten Punkte optimal unterstützen zu können, ist eine CoP (Community of Practice) nötig, welche sich abstimmt und auch Governance Themen übernimmt.

Offene Fragen gab es unter anderem zur Anzahl benötigten UXler, zur Integration von bestehenden UX-Artefakten bei einem Wechsel zu SAFe und zur Governance von Design-Elementen.

Was machen wir mit der User Research?

Der OpenSpace moderiert von Patrick Labud von BBV ging der These nach, dass User Research nicht in SAFe gehört, da es mehr Tiefe und Zeit braucht und dementsprechend schwierig durchzuführen ist in einem Produktinkrement.

Wichtig ist jedoch der stetige Informationsfluss zwischen beiden Seiten. Die Haupterkenntnis war, dass es oft innerhalb des SAFe Vorgehensschwierigkeiten beim Kommunikationsfluss zwischen Portfolio und Entwicklung gibt, in beide Richtungen. Eine Herausforderung, die auch für User Research und Ergebnisse aus Usability-Tests gilt.

Usability-Erkenntnisse, die im Team beispielsweise während eines Usability-Tests gesammelt werden, die einen Einfluss auf Entscheidungen auf der Portfolio-Ebene haben könnten, fliessen selten dorthin zurück. Es geht Wissen verloren.  Auch ersetzt eine Usability-Validation auf Team-Ebene keine User Research. Neue Einsichten können neue Ideen generieren, aber um übergeordnete Schwierigkeiten zu erkennen, braucht es Research ausserhalb der Teams.

Ein weiterer Diskussionspunkt war, dass es Überzeugungsarbeit braucht, damit die Notwendigkeit und der Wert von User Research gesehen wird.

Und wie gestaltet sich der Alltag von UXlern in SAFe?

Beim vom Roger Kuriger von Swisscom und Daniel Boos von der SBB moderierten OpenSpace  «Der Alltag von UXlern in SAFe» tauschten wir uns über die alltägliche Erfahrungen von UXlern, die in einem Unternehmen mit SAFe arbeiten, aus. Was ändert sich für UXler? Was wird besser? Was wird schwieriger? Folgende Themen wurden diskutiert:

  • Die Organisation von UXlern innerhalb SAFe ist von Unternehmen zu Unternehmen und auch innerhalb eines Unternehmens sehr unterschiedlich. Experimentiert wurde mit Gilden, Shared Service, Community of Practice oder direkt in den einzelnen Teams als Mitglied.
  • Ein dominantes Thema war die Suche nach der richtigen Form und Anzahl von Meetings zur Zusammenarbeit. Während einzelne UXler das PI Planning sehr schätzen, halten sich andere zurück und senden nur einzelne Delegierte. Zweiwöchentliche Treffen von UXler erwiesen sich als geeignet für den notwendigen Austausch zwischen den UXler.
  • Eine häufige Herausforderung ist es, die richtige Balance zu finden zwischen dem Gesamtkontext einer Lösung und konkreten Themen, wie das Interaction Design zwischen einzelnen Screens. Bemängelt wurde vereinzelt, dass den Beteiligten im Alltag häufig das «Big Picture» der Lösung fehlt.
  • Generell stieg bei allen der Bedarf an UX-Kompetenzen im Unternehmen. Nicht immer kann dieser durch weitere UXler abgedeckt werden. Eine mögliche Lösung ist das Befähigen von UX-affinen Mitarbeitern zu Experience Champions.

Wenig wurde über den auf dem Überblick prominent platzierten Begriff Lean UX gesprochen. Im Alltag scheinen andere Themen zu dominieren. Generell zeigte sich, dass alle noch am Lernen sind und auch noch nach mehreren Jahren Anpassungen vornehmen, wo und wie sie die UXler positionieren.

UX und SAFe – Wie weiter?

Die Veranstaltung war ein erster Einstieg in ein Thema, das in den nächsten Jahren noch an Wichtigkeit gewinnen wird. Es gibt viele offene Fragen, aber auch schon erste gute Erfahrungen. OpenSpace-Formate eignen sich zur Diskussion solcher Fragen besonders gut, da sie einen Austausch zwischen den Betroffen ermöglichen und das gegenseitige Lernen unterstützen. Die Fachgruppe plant deshalb weitere solche Veranstaltungen zu User Experience und wird die Erkenntnisse daraus in geeigneter Form auch breiteren Fachkreisen zur Verfügung stellen.

Fotos: Fachgruppe User Experience

 

Autoren

Rolf Huber ist zuständig für das User Centered Design im Transformationsprogramm DaziT der Eidgenössischen Zollverwaltung. Sein Hauptfokus liegt aktuell im Aufbau einer Lean UX Organisation innerhalb des Scaled Agile Frameworks (SAFe). Er ist Mitglied der Fachgruppe UX von swissICT. Zum LinkedIn Profil

Daniel Boos (Dr. sc ETH)  leitet das User Experience Team und Thema bei der SBB. Ihn beschäftigt unter anderem die Frage, wie User Experience am besten in Organisationen verankert wird und die Nutzerzentrierung erhöht wird. Er ist Mitglied der Fachgruppe UX von swissICT. Zum LinkedIn Profil

Patrick Labud arbeitet als Senior Consultant User Experience für die bbv Software Services AG. Sein Ziel sind glückliche Nutzer im Einklang mit zufriedenen Business-Stakeholdern. Er unterstützt Kunden bei der Integration von UX in IT-Projekten.

Mit Ihrem Besuch auf unserer Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung und der Verwendung von Cookies zu. Dies erlaubt uns unsere Services weiter für Sie zu verbessern. Datenschutzerklärung

OK