20. März 2024
«Der AI Act spielt eine grosse Rolle»
Was sind die Hauptfragestellungen, mit welchen sich die Rechtskommission im 2024 beschäftigt?
Carmen De la Cruz und Roland Mathys: Es läuft aktuell einiges in der Rechtskommission. Wir planen diverse Veranstaltungen für die Mitglieder von swissICT sowie einen Event zum ersten Jahr des neuen Schweizer Datenschutzgesetzes im Herbst. Zudem werden wir an der GV Plus von swissICT mit verschiedenen Workshops zu Datenschutz, Cloud und KI präsent sein.
Mit welchen regulatorischen und gesetzlichen Herausforderungen seht Ihr Euch konfrontiert?
Die Herausforderungen unserer internen oder externen Klienten:innen sind auch unsere Herausforderungen. Darüber hinaus wird auch unser Beruf immer stärker reguliert, beispielsweise was den Umgang mit Interessenkonflikten, die Mandatsannahme wie im Falle sanktionierter Staaten oder Unternehme oder die Anwaltswerbung betrifft. Wir müssen uns oft auf eine Gratwanderung begeben. Zusätzlich wird auch das IT-Umfeld komplexer, worüber wir uns auch informieren und weiterbilden müssen, um zielgerichtet unterstützen zu können.
Das IT-Umfeld wird komplexer. Wir müssen uns informieren und weiterbilden, um zielgerichtet unterstützen zu können.
Was sind die grössten Veränderungen in diesem Jahr für Anbieter:innen und Nutzer:innen?
Auf die Unternehmen kommt ein Tsunami neuer Vorschriften aus der Schweiz und der EU zu, denn in der Schweiz wurde kürzlich ein neues Datenschutzgesetz verabschiedet. Im Finanzbereich gelten neue Regelungen betreffend operationelle Risiken und Resilienz. Des weiteren gilt ab nächstem Jahr eine Meldepflicht von Cybervorfällen für Betreiber:innen kritischer Infrastrukturen. Auch in der EU gelten verschiedene neue Gesetze wie etwa der Digital Services Act oder eben erst der AI Act. Obwohl die Schweiz nicht zur EU zählt, finden diese Gesetze für Unternehmen in der Schweiz Anwendung, wenn diese ihr Angebot auch an die EU ausrichten.
Wie beurteilt die Rechtskommission das KI-Gesetz der EU?
Das Thema KI wird bei uns regelmässig unter verschiedenen rechtlichen Aspekten wie Datenschutz, Urheberrechte, Haftung diskutiert, dazu haben wir unseren Zirkel «KI-Bier» ins Leben gerufen. Allgemein fragt sich beim AI Act der EU, ob das Mass der Regulierung nicht gesprengt wurde, was vor allem für KMU mit limitiert verfügbaren Ressourcen eine grosse Bürde darstellen kann. So oder so; In der Beratung intern und extern spielt AI Act eine grosse Rolle und bedeutet, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen.
Apropos KI, wo seht Ihr den Impact von KI in den Rechtswissenschaften?
In der Tat findet KI bereits heute in der Arbeit von Juristinnen und Juristen Einzug, einerseits zur allgemeinen administrativen Unterstützung, andererseits aber auch zur Beschleunigung und Rationalisierung von juristischen Arbeitsvorgängen bei grossen Transaktionen oder Prozessen. KI wird uns ermöglichen, Routinearbeiten zu automatisieren, was Freiräume schafft für die anspruchsvolleren und spannenderen Aufgaben. Dies werten wir durchaus positiv. Die Kehrseite der Medaille sehen wir aktuell primär bei der Ausbildung jüngerer Juristinnen und Juristen, die bislang stark «on the job» erfolgte. Wenn KI diese Tätigkeiten übernimmt, müssen wir uns fragen, wie wir die Ausbildung und Qualitätssicherung weiter gewährleisten können. Gleichzeitig gibt es auch Chancen für neue Berufsbilder – Stichwort Legaltech. Diese Entwicklung steht aktuell erst am Anfang und wird unseren Beruf wohl ziemlich auf den Kopf stellen.
Das Interview führte die swissICT-Redaktion.