1. November 2018
Plädoyer für einen pragmatischen Umgang mit den SIK AGB bei der öffentlichen Beschaffung von Cloud-Lösungen
von Matthias Ebneter
Gerade wenn eine kantonale Beschaffungsstelle Cloud-Lösungen beschaffen will, führt dies oft zum bedauerlichen Ergebnis, dass viele grössere Anbieter von solchen Cloud-Lösungen schon in der ersten Runde ausscheiden oder gar nicht erst mitmachen können, wenn sie die SIK AGB nicht akzeptieren und stattdessen ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für Cloud-Lösungen vorschlagen.
Die SIK AGB sind für Cloud-Lösungen ungeeignet
Warum schlagen Anbieter von Cloud-Lösungen ihre eigenen AGB vor? Unter anderem natürlich, weil die AGB der Anbieter perfekt auf die Cloud-Lösungen abgestimmt sind, die sie anbieten wollen. Fast entscheidender ist aber, dass die SIK AGB als vertragliche Grundlage von Cloud-Lösungen letztlich einfach nicht passen. Das ist ziemlich offensichtlich, denn Cloud-Lösungen werden in den SIK AGB an keiner Stelle adressiert. Stattdessen gehen sie immer noch von der veralteten Prämisse aus, dass Anbieter von IKT-Leistungen ihre Leistungen als Hardware, Software, Beratungs- oder Implementierungsleistungen liefern.
Diese Prämisse passt für Cloud-Lösungen in verschiedener Hinsicht nicht. Cloud-Lösungen lassen sich schon einmal nicht auftrennen in Hardware, Software, Pflege und Beratung; vielmehr wird mit einer Cloud-Lösung eine einheitliche Leistung aus einer Hand (Software as a Service) erbracht, die in der Regel sämtlichen Kunden in gleicher Weise und standardisiert angeboten wird. Daraus ergibt sich auch, dass Cloud-Lösungen (jedenfalls in einer Public Cloud) nicht spezifisch auf einen Kunden zugeschnitten oder nach Kundenanforderungen geliefert werden können. Cloud-Lösungen müssen auch regelmässig aktualisiert werden können, um Updates und Aktualisierungen vorzunehmen.
Auch die Gewährleistungsregelungen der SIK AGB passen auf Cloud-Lösungen nicht, weil eine Cloud-Lösung aus einer dauerhaft und kontinuierlich erbrachten Leistung besteht und nicht einmal geliefert und dann nie mehr verändert wird. Weil eine Cloud-Lösung in der Regel sämtlichen Kunden standardisiert und in gleicher Form zur Verfügung gestellt wird, sind auch keine Verhandlungen über Rechte am geistigen Eigentum möglich, zumal Nutzungsrechte für die Nutzung einer Cloud-Lösung auch völlig genügen.
Anstelle von Verzugsregelungen vereinbart man bei Cloud-Lösungen ein Service Level Agreement (SLA), das auch Vertragsstrafen enthalten kann. Der Datenschutz wird bei einer Cloud-Lösung sodann in einer separaten Vereinbarung zur Auftragsdatenbearbeitung vertraglich vereinbart, und nicht in den AGB. Letztlich passen auch die Vergütungsregelungen der SIK AGB nicht, denn Cloud-Lösungen werden in aller Regel zu einer festen, wiederkehrenden Vergütung angeboten, die zumindest in Teilen vorauszahlbar ist.
Die SIK AGB sind keine zwingende gesetzliche Vorgabe
Dieses Dilemma führt letztlich dazu, dass kantonale und kommunale Behörden regelmässig nicht von den Angeboten etablierter und führender Anbieter von Cloud-Lösungen profitieren können. Das ist nicht nur schade für die Behörden, sondern letztlich auch für die Kunden der Behörden und Steuerzahler, denn die Nutzung von Cloud-Lösungen, die dem letzten Stand der Technik und Sicherheit entsprechen und eine gute Leistung zu einem guten Preis bieten, ist für alle ein Vorteil. Sie machen die Verwaltung effizienter, moderner und dadurch für Kunden und Steuerzahler attraktiver. Besonders tragisch daran ist, dass die kantonalen und kommunalen Beschaffungsbehörden die SIK AGB gar nicht als zwingendes Kriterium in den Ausschreibungen vorsehen müssten.
Insbesondere als Eignungskriterium machen die SIK AGB überhaupt keinen Sinn, denn mit Eignungskriterien soll der Nachweis erbracht werden, dass sich ein Anbieter in grundsätzlicher Hinsicht eignet, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen, und die Vertragsgrundlagen haben in dieser Hinsicht keine Relevanz (so auch Urs Egli, Michael Merz, «Die Bedeutung der AGB SIK bei Informatikbeschaffungen der öffentlichen Hand», in: Jusletter IT, 11. Dezember 2013, RZ 27). Gleichwohl kommt es immer noch vor, dass Beschaffungsstellen die Akzeptanz der SIK AGB als Eignungskriterium vorsehen und folglich ein Anbieter, der seine eigenen AGB anbieten möchte, von vornherein ausscheidet.
Es entspricht nicht einer freien Wirtschaftsordnung und auch nicht dem realen Leben, wenn die SIK AGB als zwingendes Kriterium vorgegeben werden und ein Anbieter nur ja oder nein sagen kann, denn auf dem freien Markt ist es ein Teil der Verhandlung, ob die AGB des Kunden oder des Anbieters herangezogen werden. Wenn schon sollten die SIK AGB ausschliesslich als Zuschlagskriterium herangezogen und entsprechend bewertet werden. Es sollte sodann auch im Rahmen der Zuschlagskriterien nicht von vornherein mit der geringsten Punktzahl bewertet werden, wenn ein Anbieter seine eigenen AGB vorschlägt. Diese können nämlich zumindest in gewissen Punkten durchaus vorteilhafter sein und enthalten in jedem Fall viele Regelungen, die in den SIK AGB schlicht fehlen (weil diese eben Cloud-Lösungen nicht berücksichtigen).
Es ist klar, dass die Beschaffungsstelle für die Vergleichbarkeit der Anbieter sorgen muss und dazu auch die Vertragsgrundlagen relevant sind. Die Beschaffungsstelle könnte sich da aber auf einige wenige, aus ihrer Sicht ganz wesentliche vertragliche Punkte beschränken und diese als Zuschlagskriterien vorgeben, wie es auch bei privaten Beschaffungen regelmässig gemacht wird. Die Antworten der Anbieter auf diese Zuschlagskriterien können dann sinnvoll und relativ effizient verglichen werden.
Pragmatische Lösungen versprechen mehr Erfolg
Wie an einem Vortrag an der IT-Beschaffungskonferenz 2018 in Bern völlig zu Recht ausgeführt wurde, ist es bei Cloud-Beschaffungen nicht sinnvoll, die SIK AGB vorzugeben und AGB von Anbietern zu ignorieren. Ich kann daher kantonalen und kommunalen Beschaffungsstellen nur ans Herz legen, in jedem Fall davon abzusehen, die SIK AGB als Eignungskriterium vorauszusetzen, aber auch bei den Zuschlagskriterien, wenn immer möglich, auf die SIK AGB als vorgegebene Vertragsgrundlage zu verzichten und stattdessen mit einer Liste von einzelnen Vertragsregelungen zu arbeiten, die aus Sicht der Beschaffungsstelle besonders wichtig und relevant sind.
Damit ist nicht mehr von vornherein ausgeschlossen, dass ein Anbieter die eigenen AGB als Vertragsgrundlage mit Abweichungen im Sinne der gewünschten Regelungen der Beschaffungsstelle zumindest vorschlagen kann. Ich bin überzeugt, dass dieses Vorgehen es den kantonalen und kommunalen Beschaffungsstellen erleichtern wird, den Schritt in die Cloud mit einer besseren Auswahl an Anbietern und damit mehr Aussicht auf Erfolg zu wagen.