6. Oktober 2022
Drei neue Vorstandsmitglieder
Auszug aus dem Magazin 2/2022
«Drei neue Vorstandsmitglieder»
Am 19. Mai wurden Penny Schiffer, Stephanie Züllig und Petra Joerg neu in den swissICT Vorstand gewählt. Im Interview sprechen wir vor allem über Frauen in der IT und mögliche Lösungen für den Fachkräftemangel.
Interview: Simon Zaugg
Die Generalversammlung ist schon einige Monate her. Was habt ihr mitgenommen vom Abend?
Penny Schiffer (PS): Ich habe tolle neue Leute kennengelernt, die ich bisher aus dem Start-up-Umfeld, wo ich viel unterwegs bin, noch nicht gekannt habe. Das war für mich sehr interessant und ich habe gute Gespräche geführt.
Stephanie Züllig (SZ): Zum einen natürlich den herzlichen Empfang in dieser schönen Location Zunfthaus zur Meisen. Dann auch die gute Neuigkeit, dass wir jetzt doch schon fast 900 Mitgliedsfirmen haben. Das ist eine tolle Grösse, mit der man arbeiten und die Zukunft gestalten kann.
Petra Joerg (PJ): Die GV war für mich ein besonderer Anlass, da ich mich sehr über die Wahl in den Vorstand von swissICT gefreut habe und auch meine beiden neuen Kolleginnen sowie einige andere Vorstandsmitglieder kennenlernen konnte. Aufgefallen ist mir, dass nur sehr wenige Frauen an der GV waren. Das ist sicher eines der Themen, die wir anpacken sollten.
Womit wir bei einem sehr wichtigen Thema sind. Wie schafft man es, mehr Frauen für die IT zu begeistern?
SZ: Ich war letztes Jahr auf einem ganz spannenden Podium zum Thema “MINT-Frauen treiben die Schweiz voran”, unter dem Patronat der ehemaligen ETH-Rektorin Professorin Sarah Springman, eingeladen. Ich bin immer noch der Meinung, dass wir viele Frauen auf ihrem Karriereweg verlieren, weil zu einem die Strukturen in der Schweiz schwierig sind – Thema Kinder und Karriere – und zum anderen Frauen oft ein schlechteres Netzwerk und Mentoren haben, die sie auf ihrem Karriereweg erfolgreich begleiten. Im Vergleich zu anderen Ländern, in denen ich tätig war, wie beispielsweise in Osteuropa und selbst im Libanon, da sind Frauen in MINT-Berufen eine Selbstverständlichkeit. Struktur und Kultur hierzulande und im DACH-Raum sind offensichtlich anders und für Frauen und Familien nicht immer optimal. Wir haben hier jedoch sehr grosses Potential. Deshalb engagiere ich mich auch als Mentorin für junge Frauen auf ihrem Karriereweg. Mit nun drei neuen Vorständinnen bei swissICT schaffen wir zusätzlich Power, in diesem Feld zu unterstützen.
PS: Ich kenne viele ICT-Fachleute aus Osteuropa, die mit Google in die Schweiz kommen. Dort ist es so, dass die Frauen ganz selbstverständlich mathematische ingenieurswissenschaftliche Fächer studieren. Wahrscheinlich sogar auch rational überlegt. Man verdient gut, man hat eine Nachfrage. Das ist vielleicht auch dem Druck geschuldet, dass man ein Einkommen generieren muss und man von vornherein bei der Entscheidung für das Fach mehr Wert darauflegt als in anderen Ländern.
Ich glaube aber, dass Problem des Fachkräftemangels liegt vor allem darin, dass von vorneherein zu wenig ausgebildet wird – und auch nicht auf dem Niveau, was gefragt ist. Es ist zu einfach zu sagen, dass sich keiner für ICT interessiert. Auch wenn man zum Beispiel mehr Frauen zurückholt, die mal die Ausbildung gemacht haben und wieder einsteigen, dann ist das ein Tropfen auf den heissen Stein. Es ist halt wirklich auch eine politische Frage, die sich zum Beispiel auch bei den Ärzten stellt. Wir wissen ja auch schon lange, dass es zu wenig Ärzte gibt.
PJ: Ich denke, dass die Sensibilisierung bereits in den Schulen und im Elternhaus beginnen muss. Mädchen müssen verstehen, dass es “normal” ist, sich für einen MINT-Beruf zu interessieren, und sie brauchen Vorbilder, die ganz selbstverständlich in der IT-Branche arbeiten. Zudem müssen wir Kulturen schaffen, in denen sich Frauen und auch die kommende Generation Z wohlfühlen. Ich kenne eine sehr begabte IT-Absolventin, die nach dem Studium in die Beratung eingestiegen ist und ausgezeichnete Resultate liefert. Trotzdem wechselt sie jetzt die Firma. Der Hauptgrund ist die Kultur, die in der Organisation vorherrscht. Sie fühlt sich einfach nicht wohl.
Wie könnte man denn so eine Kultur schaffen?
PJ: Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer sich in einem hierarchischen Setup wohler fühlen, Frauen hingegen in einer gemeinschaftsorientierten Kultur. Man arbeitet zusammen, es gibt weniger Konkurrenzdenken. Unsere Organisationen sind häufig noch recht hierarchisch aufgebaut und kommen somit eher den Eigenschaften der Männer entgegen. Hier müsste man ansetzen. Wir brauchen Kulturen, in denen sich Männer UND Frauen entfalten und konstruktiv zusammenarbeiten können. Zudem ist es wichtig, dass wir neue Arbeitsmodelle einführen und sie leben. New Work, Job-Sharing, Part-Time-Chefinnen und Chefs etc.
PS: Kommt dazu: Wenn man in einem Bereich sehr wenig Frauen hat, sagen wir unter 5 Prozent, dann ist es für die Frauen, die dort hinein kommen, auch überproportional schwierig. Man fühlt sich vielleicht nicht wohl. Mir geht es manchmal so, wenn ich an eine Veranstaltung komme und dort sind wirklich 98 Prozent Männer oder ich bin die einzige Frau. Dann frage ich mich manchmal, wo ist denn hier der Fehler hier im Bild? Ah, ich bin wohl der Fehler. Ich kann da ja drüber stehen, aber es ist ja trotzdem ein blödes Gefühl. Es gibt viele tolle Sachen im Schweizer Arbeitsumfeld, die sind hervorragend. Es gibt sehr viele Qualitäten, die in anderen Ländern nicht da sind. Aber Diversity und Frauenförderung gehört halt nicht dazu.
Was bringt denn Diversity insgesamt für Vorteile für die Unternehmen?
SZ: Ich bin grundsätzlich eine Verfechterin von gemischten Teams. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft. Ich glaube, um langfristig erfolgreich zu sein und um auch konstruktive Diskussionen führen zu können, braucht es wirklich die Vielfalt. Es benötigt Offenheit für unterschiedlichen Sichtweisen, Mut und vor allem ein sehr gutes Leadership. Als Führungskraft ist es wichtig, jedes Talent und jede Person zu inkludieren, um zum einen die Zukunftssicherung des Unternehmens in der digitalen Transformation zu sichern, und zum anderen, um Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen. Ich glaube Diversität ist ein Erfolgsfaktor. Nachhaltiger Erfolg kann nur mit konstruktivem Dialog und unter Einbezug vielfältiger Ansichten und Möglichkeiten entstehen.
PS: Themen, die man anschauen sollte, sind der Wiedereinstieg, die Arbeitszeiten, und dabei insbesondere die Frauen nicht zu verlieren, die technische Projekte gemacht haben und in Familienzeit gehen. Es ist aus verschiedenen Gründen schwer, wieder zurückzukommen, in einem technischen Beruf umso mehr, weil man ja auch den Anschluss verpasst hat. Wenn man 5 Jahre nicht aktiv war oder 10 Jahre, umso mehr. Meine Erfahrung ist, dass die Frauen da auch total offen sind und auch dankbar, wenn es solche Angebote gibt.
PJ: Ein weiterer Erfolgsfaktor im Markt für rare Fachkräfte ist auch das Employer Branding, sprich: Firmen positionieren sich im Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeber. Bisher machen das vor allem die grossen Unternehmen. Es wäre aber auch für KMU möglich, auf den verschiedensten Online-Portalen diesen Weg zu begehen. Vor allem der jungen Generation ist es wichtig, dass Stil und Werte ihres künftigen Arbeitgebers zu ihnen passen. Wenn ein KMU dazu nichts sagt, wird es schwierig.
Stephanie, eines deiner Kernthemen ist die Cybersicherheit. Ein sehr aktuelles Thema angesichts der vielen Angriffe, die täglich stattfinden.
SZ: Als Verwaltungsrätin der Schweizer Securitas Gruppe sehe ich Sicherheit als Passion und grosse Verantwortung, denn wir schützen und retten Menschenleben. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis für Menschen. Seit der Pandemie hat Sicherheit enorm an Bedeutung gewonnen, denn Sicherheit betrifft alle unsere Lebensbereiche, wie z.B. Wohnen, Leben, Arbeiten, Gesundheit. Überall hier kommen neue Technologien zum Einsatz, die neuen Sicherheits- bedürfnissen Rechnung tragen und diese Lösungen müssen sicher sein (Stichwort kritische Infrastrukturen)
Das Thema Cyber Crime hat jedoch sehr an Bedeutung gewonnen. Heute müssen sich Unternehmen nicht mehr die Frage stellen, ob sie gehackt werden, sondern nur noch wann. Und wer nicht vorbereitet ist, muss mit grossen negativen Konsequenzen rechnen. Nicht nur die Reputation von Unternehmen steht auf dem Spiel (heikle Daten gelangen ins DarkNet), sondern ganze Existenzen können durch einen Angriff bedroht sein. Wir stehen hier in einer grossen Verantwortung. Ich kann hier nur den Rat geben internes Know-How aufzubauen, Vorkehrungen zu treffen und mit Experten/-innen zusammenarbeiten. Wir müssen hier die Kräfte bündeln, denn der Umgang mit CyberCrime erlaubt keine Alleingänge.