21. September 2021

«GEVER ist mehr als nur ein Softwaresystem»

GEVER ist regelmässig in den Schlagzeilen. Wir haben bei Gianni Lepore (auf dem Bild rechts) von swissICT Mitglied Ironforge nachgefragt, was genau unter GEVER zu verstehen ist.

Herr Lepore, warum sind gerade Sie die richtige Person, um über GEVER zu sprechen?

Wir sind sicher nicht die einzigen, die hier viel Erfahrung aufweisen. Aber dass wir über 50 grössere GEVER-Projekte umsetzen durften und auch immer wieder neue Projekte dazu kommen, bedeutet für mich, dass wir nicht ganz alles falsch machen (lacht).

Nun, GEVER geniesst ja nicht gerade den besten Ruf, es gab immer wieder gescheiterte Projekte …

Sie sprechen eine alte Geschichte im Bund an: Wegen auslaufender Verträge musste der Bund die zentrale Software für seine elektronische Geschäftsverwaltung (GEVER) komplett neu ausschreiben. An diesem Projekt arbeitete die Verwaltung schon seit 1999. Die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte rügte wiederholt, dass die Kosten dafür nicht beziffert werden könnten.

Was ist GEVER genau?

GEVER bezeichnet die elektronische Geschäftsverwaltung und gilt als eine der Grundlagen für das E-Government. Die elektronische Geschäftsverwaltung umfasst eine transparente, rechtskonforme und effiziente Aktenführung, orientiert sich an den Geschäftsabläufen und ermöglicht eine einfache Geschäftskontrolle. Die Bundesverwaltung bearbeitet ihre geschäftsrelevanten Informationen in elektronischen Geschäftsverwaltungssystemen.

Dann ist GEVER mehr als nur ein Softwaresystem?

Richtig. Die elektronische Geschäftsverwaltung beinhaltet das Zusammenspiel zwischen Mensch, Technik und Organisation. Erst wenn diese drei Bereiche harmonisch verbunden werden, lässt sich mit GEVER für alle Beteiligten einen nachhaltigen Mehrwert generieren. Durch die systematische Verwaltung von Informationen können diese schneller, orts- und personalunabhängiger zur Verfügung gestellt werden.

Ganz aktuell: mit GEVER können Organisationen die Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit einhalten, indem die relevanten Informationen wie beispielsweise die Informationen zu einem Umweltaudit dazu strukturiert dokumentiert werden. Damit kann der Grad der Nachhaltigkeitsumsetzung jederzeit problemlos abgerufen werden. Der Einsatz von GEVER verhindert zudem, dass unnötige oder veraltete Daten gespeichert werden, und unterstützt mittels Prozessen, dass Leerläufe vermieden werden. Innovationen können vorangetrieben und Entscheidungen getroffen werden, da korrekte, vollständige Informationen in der richtigen Form und zur richtigen Zeit zur Verfügung gestellt werden.

Neben den grossen Prozessen wie den Ämterkonsultationen können mit GEVER auch ganz spezifische Abläufe wie zum Beispiel Eintrittsprozesse, Spesenbewilligungen oder Anfragen für Weiterbildungen automatisch gesteuert werden.

Wie muss man sich ein Dossier vorstellen?

Pro Projekt ist ein Dossier in GEVER zu führen. Ausnahmen sind mehrjährige und/oder grössere Projekte oder Programme. Die Subdossier-Struktur innerhalb eines Projektdossiers empfiehlt sich zum Beispiel nach den HERMES Modulen zu definieren. Zudem ist eine nicht zu tiefe Subdossier-Struktur im Dossier anzustreben.

Wie wird ein Dossier konkret bewirtschaftet?

Die Zugriffsrechte auf das Dossier sind zu definieren und einzurichten. Die Benennungen der Unterlagen sind nach Titel- und Namenskonventionen sicherzustellen, welche in den GEVER Vorgaben (Organisationsvorschriften) geregelt werden. Das Dossier muss vollständig, nachvollziehbar und rechtskonform bewirtschaftet werden.

Am Ende des Projektes ist das Dossier zu bereinigen. Das beinhaltet die Prüfung auf Vollständigkeit, offene Prozesse oder doppelt abgelegte Akten. Nach dem Dossierabschluss stehen die Unterlagen weiterhin zur Verfügung, können jedoch nicht mehr verändert werden. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist wird ein archivwürdiges Dossier (gemäss Ordnungssystem der Organisation) dem zuständigen Archiv übergeben und in der Organisation vernichtet. Falls das Dossier nicht archivwürdig ist, kann es nach Ablauf dieser Frist vernichtet werden.

Trotz der Tatsache, dass es immer wieder kritische Berichte über GEVER gab. Für Sie scheint alles gut zu laufen?

Ja. Und wir setzen alles daran, dass es auch so bleibt. Aktuell erarbeiten wir mit einem Kunden aus der Bundesverwaltung einen Kriterienkatalog, mit dessen Hilfe eine Bewertung von Geschäftsprozessen möglich wird, bei welcher das Potenzial einer möglichen elektronischen Umsetzung in GEVER beurteilt wird. In einem anderen Vorhaben setzen wir zusammen mit dem Kunden und dem Leistungserbringer die Ablösung einer Fachapplikation in GEVER um. Auch im Betrieb eines Competence Centers eines Bundesamtes dürfen wir unterstützen. Die Digitalisierung beim Bund und den öffentlichen Verwaltungen geht rasant weiter. Die Arbeit wird uns – und auch der Branche insgesamt -– in nächster Zeit kaum ausgehen.

 

Autor / Interviewer: Andreas Schneider, F+W Communications

Interviewpartner: Gianni Lepore ist CEO von Ironforge Consulting AG. 

Bild: zvg

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