24. Januar 2024

Low-Code- und No-Code-Plattformen im Gesundheitswesen

Low-Code und No-Code-Plattformen, die es Menschen ohne umfassende Programmierkenntnisse erlauben, Software-Anwendungen zu erstellen, werden immer beliebter. Die Fachgruppe e-Health untersucht, wie Mendix, Appian oder Microsoft Power Platform CIOs oder Prozessmanager im Gesundheitssektor unterstützen können. Mit der laufenden Umfrage gilt es einen Marktüberblick zu erhalten, Chancen und Risiken zu beleuchten und Best Practices für Schweizer Gesundheitsorganisationen herauszuarbeiten.

Low-Code-Plattformen (LCP) haben sich in den vergangenen Jahren im Berufsalltag von Prozessentwickler:innen etabliert. LCPs ermöglichen Anwender:innen, die keine erfahrene Entwickler:innen sind, basierend auf einer grafischen Nutzeroberfläche (GUI) Applikationen, Datenbanken, Unternehmensprogramme und User-Interfaces (UI) zu programmieren. LCP erhöhen die Produktivität von Softwareentwicklungen und verbessern die Ausrichtung der Business-to-IT. Das Potenzial von Low-Code wurde bereits von vielen grossen Software-Anbietern, wie IBM, Microsoft und Oracle erkannt. Sie bieten allesamt Produkte in diesem Bereich an.

Mit LCPs erstellen Nutzende Applikationsanwendungen über eine grafische Benutzeroberfläche und durch eine Drag-and-Drop-Funktionalität. Die modellgesteuerte Entwicklung von Applikationen wird durch vorkonfigurierte Komponenten, Logiken, Vorlagen und Verbindungsstellen ermöglicht. Im Hintergrund wird zu den zusammengeführten Modulen ein Code generiert, welcher erfahrene Entwickler:innen ändern und personalisieren können. Die Applikationen lassen sich mit verschiedenen Datenbanken verbinden. Gewisse Plattformen unterstützen auch das ganze Lebenszyklusmanagement (LCM) und stellen Werkzeuge für das Projektmanagement, Versionskontrolle, Tests, Anforderungsmanagement etc. zu Verfügung.

Auf dem Markt gibt es neben LCP auch No-Code-Plattformen (NCP). NCP setzen im Gegensatz zu LCP keine Informatik-Kenntnisse voraus. Entsprechend eignen sich NCP für sämtliche Anwender:innen, während die Nutzung von LCP Vertrautheit mit dem Programmieren und der Syntax des Programmcodes voraussetzt. Der Vorgang bei NCP ähnelt dem Zusammenfügen von Komponenten bei PowerPoint-Präsentationen. Bei LCP sind die Bausteine komplexer und die im Hintergrund generierten Codes der Anwendung können individualisiert und weiterentwickelt werden.

Vor- und Nachteile

Was bei der Nutzung von LC-Entwicklungsplattformen besonders hervorsticht, ist die erhöhte Geschwindigkeit bei den Applikationsentwicklungen. Manch Anbieter wirbt mit einer zehnfachen Geschwindigkeitssteigerung. Wegen ihrer benutzerfreundlichen Anwendung sind LCP durchaus als Instrument gegen den Fachkräftemangel zu sehen, da auch Mitarbeitende ohne klassische IT-Ausbildung Applikationen bauen und anpassen können. Mit der vereinfachten Zusammenarbeit durch LCP können das Silo-Denken in Organisationen aufgebrochen und die Nutzeranforderungen passgenauer entwickelt werden, da sie durch die Plattform ermächtigt werden, selbst mitzugestalten. Auch die Skalierbarkeit der Anwendungen wird durch LCP gefördert, da sich programmierte Artefakte für weitere Projekte wiederverwenden lassen.

Doch wie bei jeder Medaille, gibt es auch hier eine Kehrseite. Dadurch, dass alle Mitarbeitende Applikationen entwickeln können und diese nicht zwingend von der IT-Abteilung überprüft werden müssen, wird eine Shadow-IT gefördert. Technische Schulden können schneller entstehen, welche die mangelnde Berücksichtigung des Datenschutzes, der Compliance und Governance-Vorgaben umfassen. Die Nutzung von LCP kann zudem zu einer Abhängigkeit gegenüber den Plattform-Anbietern führen.  Die automatische Code-Generierung im Hintergrund erhöht aus technischer Sicht die Gefahr, dass die Nahvollziehbarkeit des Codes verringert und die Maintenance erschwert wird. Heute sind die Einsatzbereiche von LCP noch begrenzt, sodass ab einer gewissen Komplexität klassische Entwicklungsarbeit notwendig wird, um alle Geschäftsprozesse abbilden zu können.

Stark wachsender Markt

Laut Gartner ist der Markt für LCP stark wachsend. Gartner schätzt diesen auf 26.9 Milliarden Dollar ein (Stand Ende 2023). Dies ist eine Steigerung von 19.6% gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklung wird durch die erhöhte Relevanz von Technologien im Business und dem stärkeren Bedürfnis nach Automatisierung getrieben. Zudem wird betont, dass Organisationen einer immer grösser werdenden Nachfrage von schneller Applikationsentwicklung sowie massgeschneiderten Applikationen nachkommen müssen. Um diese Herausforderung lösen zu können, bieten sich LCP an. Die führenden Anbieter sind laut Gartner Salesforce, Microsoft, OutSystems und Mendix, welche über unterschiedliche technische Möglichkeiten und Spezialisierungen verfügen.

LCP im Gesundheitswesen – die Anwendungsmöglichkeiten

Das Gesundheitswesen kämpft nicht nur mit dem Kostendruck und dem Fachpersonalmangel, sondern es steht vor der Herausforderung der Digitalisierung. Die Digitalisierungsvorhaben sind mit den herkömmlichen Vorgehensweisen und Systemen kaum bewältigbar, was durch den Mangel an Software-Entwickler:innen verstärkt wird. Entsprechend bietet es sich an LCP zu nutzen, um mit niedrigeren Ressourcen die Digitalisierung im Gesundheitssektor voranzutreiben. Nachfolgende Beispiele zeigen auf, wie Akteure im Gesundheitswesen bereits LCP zu ihren Gunsten nutzen konnten:

 

  • Luz Saúde, eine der grössten Gesundheitsgruppen auf dem portugiesischen Markt, war aus ihren alten Systemen herausgewachsen und benötigte ein neues, einheitliches Kommunikationsinstrument, um Informationen und Dienstleistungen für alle Einheiten bereitzustellen. Mit einer LCP wurde das neue Luz Intranet für 14‘000 Mitarbeitende entwickelt. Damit wurde ein effektives Kommunikationsinstrument erschaffen, das die Informationen und Inhalte aller Gesundheitsabteilungen zentralisierte. Das Intranet verfügt über eine gute End-User-Experience. Die neue Lösung wurde vollständig integriert und von allen Mitarbeitenden akzeptiert. Durch die Nutzung von LCP wurde 50% weniger Zeit aufgewendet, als wenn mit klassischer Programmierung gearbeitet worden wäre. (angewendete LCP: OutSystems)
  • Einen weiteren Use Case bietet Advanced Technology Company (ATC), eine führende Anbieterin von Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitstechnologie in Kuwait. ATC hat Sapphire HMS entwickelt, ein komplettes Krankenhausinformationssystem, das für jegliche Krankenhäuser und Gesundheitsinstituten in wenigen Wochen oder Monaten implementiert und angepasst werden kann. Der Vorteil ihres Systems ist, dass ihre Mitarbeitenden weniger Trainings brauchen, um damit arbeiten zu können. Und als Pluspunkt konnten die technischen Anforderungen zur höchsten Zufriedenheit erfüllt werden. (angewendete LCP: OutSystems)
  • Ein Beispiel aus Grossbritannien zeigt, wie da LCP im Gesundheitswesen verwendet wurden. Saga HealthCare, eine der grössten britischen Agenturen für häusliche Pflege, musste ein neues System für die Planung der Pflege einführen. Die Entwicklungskosten des Systems wurden auf 12 Millionen Pfund geschätzt und für die Entwicklungsdauer wurde mit einer Zeitdauer von 2,5 Jahre gerechnet. Mithilfe einer LCP war das IT-Team von Saga in der Lage, das Planungssystem SACHA für die häusliche Pflege zu entwickeln. Das automatisierte Planungs- und Abrechnungssystem ermöglichte es Saga, sich auf die Bereitstellung des Kundendienstes zu konzentrieren. Das neue System wurde in nur 6 Monaten entwickelt. Die Systemänderungen können durch die LCP viel schneller vorgenommen werden und die Kosteneinsparungen sind beträchtlich. (angewendete LCP: Mendix)

Erste Erkenntnisse aus der Kurzumfrage zu Low-Code-Plattformen

Von der Fachgruppe e-Health wurde eine Umfrage gestartet, welche eHealth-Fachpersonen zu ihrem Gebrauch von LCP befragt. Die Resultate sollen helfen ein Verständnis zu gewinnen, wie LCP in der Schweizer Gesundheitsbranche verwendet werden und welche Vorteile sowie Herausforderungen Gesundheitsakteure in diesen Softwarelösungen sehen.

Die bisherigen Resultate der Umfrage werden folgend erläutert:

  • Rund ein Drittel aller Befragten nutzen LCP.  Die grössten Herausforderungen in Verbindung mit LCP liegen gemäss Teilnehmenden beim fehlenden Know-how und bei den Schwierigkeiten bestehende Systeme zu integrieren. Zudem zeigt sich, dass Befragten die Zeit fehlt, sich mit dem LCP-Thema zu beschäftigen.
  • Als Vorteile und Chancen identifizieren die Umfrageteilnehmenden unter anderem die automatisierten Prozesse, die verbesserte Zusammenarbeit sowie die erhöhte Flexibilität.
  • Nach ersten Erkenntnissen stellt sich der Sicherheitsaspekt, sprich die Datenschutz-Thematik, als zentraler Faktor heraus, welcher die Nutzung von LCP beeinflusst.

Diese Herausforderungen und Vorteile wurden von eHealth-Fachpersonen in Bezug auf Low-Code- und No-Code-Plattformen genannt. (Quelle: Umfrage-Ergebnisse; eigene Darstellung)

 

Die Umfrage schliesst mit einer offenen Frage, welche den Unterstützungsbedarf von Gesundheitsakteuren im Bereich LCP identifiziert. Geclustert wünschen die Befragten vor allem Hilfe beim Aufzeigen von Anwendungsbeispielen sowie dem Aufbau von Wissen bzw. Know-how, um in der LCP-Welt Fuss fassen zu können.

 

Die Umfrage läuft noch. Unterstützen Sie uns bei der Analyse, indem Sie an unserer Umfrage zu Low-Code-/No-Code-Plattformen teilnehmen. Als Umfrageteilnehmer:in erhalten Sie frühzeitig die Ergebnisse.

Ausblick

In naher Zukunft werden wir diese Marktanalyse weiter vertiefen, indem wir zusätzliche Informationen durch Umfragen gewinnen, intensivere Recherchen und Analysen durchführen, bewährte Best-Practice-Beispiele sammeln und schliesslich die Handlungsempfehlungen für unsere Fachgruppe und unsere Leser:innen zusammenstellen. Bleiben Sie dran!

Autor:innen

Stanislaw Koltschin

Sandra Müller

Céline Schneidinger

Jan Baur

Lars Baacke

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