Wieso die Fachgruppe?

Fred Kessler: Wir wollen das sehr diffuse Thema «Leadership» näherbringen. Viele interpretieren darin Micromanagement, doch darum geht es eben nicht. Deshalb auch die Verknüpfung von Leadership mit dem Thema «Business-Ökosysteme». Es geht darum aufzuzeigen, wie Unternehmen mit guter Führung erfolgreicher sind und wie sie mithilfe von Ökosystemen vom ersten Gedanken bis zur Umsetzung mit Partnern zusammenspannen, die man heute vielleicht noch gar nicht kennt. Wir wollen diese Themen greifbarer und verständlicher machen und den Spass im Umgang mit der Thematik transportieren.

Wie definieren Sie Leadership?

Ganz simpel, so wie Admiral Heinrich Lange, ehemals Chef der deutschen Marine, es tut: «Führen heisst: orientieren, entscheiden, vorangehen.»

 «Leadership» als Thema spricht nicht alle an und nicht jede:r ist für eine solche Position geschaffen. Wen wollt Ihr erreichen?

Grundsätzlich alle. Vom Volksspruch «Zum Führer musst du geboren werden und für Mädchen ist das nichts», halte ich nichts. Wir werden aufzeigen, dass Führen für jedermann und auch in jeder Situation von Nutzen ist. Im Umkehrschluss bedeutet Führung auch, dass man in bestimmten Situationen zum Kreis der Geführten gehört. Man kann besser geführt werden, wenn man weiss, wie Führung funktioniert.

Viele haben in ihrem Berufsleben keine allzu guten Erfahrungen mit Führungskräften gemacht oder sie sind konsterniert hinsichtlich der Führungsstile, ergo haben sie keine positiven Assoziationen mit Leadership.

In der Tat haben die meisten Menschen sehr schlechte Erfahrungen mit ihren Führenden gemacht, weil diese gar nicht für die Aufgabe ausgebildet sind. Das willkürliche zuordnen von Führungsrollen, oder den besten Spezialisten auf einem Gebiet zum Führer machen, das sind zivile Unarten, die es zu reflektieren gilt. Als militärische Führungsperson weisst du, dass nicht die Besten in den einzelnen Bereichen, diejenigen sein sollten, die führen.
Mit einer meiner Visionen bei swissICT ist, das Thema Führung neu zu beleuchten, verständlicher und greifbarer zu machen. So wie die militärischen Spezialkräfte geführt werden, das lässt sich eins zu eins auf die zivile Arbeitswelt übertragen, wo teilweise schon Stress entsteht, wenn der Espresso nicht die richtige crema hat.

Stichwort Fachkräftemangel: Was kann man als Leader im eigenen Unternehmen dagegen machen?

Sehr viel: Erstmal den ganzen «Schrott» über Unternehmenskultur auf der Firmenwebseite löschen, denn das meiste sind schöne und leider verlogene Worte. Eine Kultur schaffst du nur, indem du ein Vorbild bist. Ein Vorbild bist du nur, wenn du gelernt hast zu führen. Mein Appell an alle Führungskräfte: Lernt führen! Lebt die Kultur vor, die ihr euch wünscht und die Kultur wird als Magnet wirken.

Mein Appell an alle Führungskräfte: Lernt führen!

Was ist unter Ökosysteme zu verstehen?

Ein Business-Ökosystem ist ein Verbund von Partnern, die zusammen einen grösseren Nutzen für Endkunden bieten können, als wenn der Kunde mit jedem einzelnen Anbieter interagieren würde. Der Erfolg kommt schneller und leichter. Im Westen wurden wir zum Ego-System erzogen. Dadurch versucht jeder, etwas für sich allein zu schaffen. Wunderbar, solange unsere Kultur und unser Wohlstand das erlauben. Doch wir stossen damit an unsere Grenzen, denn ein Ego-Handeln bringt uns nicht weiter.

Wen möchten Sie ansprechen – Führungskräfte im mittleren Kader oder auf Managementstufe?

Für das Thema Führung möchten wir alle ansprechen. Ganz nach Stephen R. Covey, der das Werk «The Seven Habits of Highly Effective People» geschrieben hat: «Führe dein Leben oder jemand anderes wird es tun.»

Mit Business-Ökosystemen sprechen wir vor allem diejenigen an, die heute in Führungspositionen sind. Sie tragen die Verantwortung für eine Grundsicherung, die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in Unternehmen.

Wo sind Ihre Berührungspunkte mit der ICT-Community?

Es gibt verschiedene Stationen in meinem Lebenslauf, bei denen ich intensiv mit ICT-Verantwortlichen zusammengearbeitet habe. Als ich 2003 die Solution Selling Methodik nach Europa holte und Microsoft ein Jahr später diese Methode in der Schweiz einführte, habe ich unzählige ICT-Mitarbeitende bei Microsoft geschult. Aus dieser Zeit ist eine sehr starke Verbindung zur IT-Community entstanden, die bis heute hält. Dann haben wir im Herbst das Thema Leadership in der swissICT-Community erprobt und die Resonanz war überwältigend. Daraus entstand die Idee zur Fachgruppengründung.

Was sind Ihre Erwartungen an die Community?

Ich erwarte, dass Emotionen entstehen und Dinge kritisch hinterfragt werden.

Was sind Ihre Erwartungen an sich als Fachgruppenmitglied?

Wir wollen in Demut einen Beitrag leisten, um zu einem anderen Mindset zu gelangen. Wir investieren neben unserem Know-how Zeit und wir möchten einen Beitrag leisten, der die Community von swissICT zufriedenstellt. Ich schreibe eine Doktorarbeit über Business-Ökosysteme an der Heriot-Watt Universität und wünsche mir, dass die Schweizer ICT-Community es zulässt in einem Piloten und später in der Hauptstudie zum Thema Leadership und Ökosysteme eine Rolle zu spielen.