22. Juni 2021
«Spätestens jetzt weiss jede Firma, dass es Veränderungen braucht»
Interview: Simon Zaugg
Freut mich sehr, dass wir dich zum Interview treffen dürfen. Wer bist du?
Marc Maret: Ich heisse Marc Maret, komme aus der Westschweiz, habe in der Ostschweiz studiert und lebe seit über zwanzig Jahren im Grossraum Zürich. Ich bin glücklich verheiratet und habe zwei Kinder. Beruflich bin ich Managing Director von Valtech Schweiz.
Was ist dein Lieblings-IT-Buzzword und warum?
Zurzeit ist es Crypto. Es ist in aller Munde und viele investieren, wahrscheinlich auch etwas blauäugig. Ich bin sehr gespannt und neugierig zu sehen, wie generell mit diesem Trend umgegangen wird.
Über welche digitale Innovation hast du dich in den letzten 12 Monaten besonders gefreut?
Persönlich finde ich die grossflächige Integration von Twint als weitere Zahlungsmöglichkeit super. Es ist sehr einfach geworden, digital zu bezahlen. Zudem bin ich angetan von den Fortschritten mit der Blockchain und den vielen konkreten Use Cases. Es ist spannend zu sehen, wie diese Technologie jetzt richtig breite Anwendung findet.
Hast du jetzt diese Frage aus privater Sicht beantwortet? Oder ist das auch eines der Kernthemen von Valtech?
Die Anwendung von Twint ist meine persönliche Sicht. Blockchain ist zwar kein Kernthema von Valtech, aber wir kommen natürlich immer wieder mit diesem Thema in Kontakt. Unsere Kunden machen sich häufiger Gedanken, wie sie diese neuen Möglichkeiten zugunsten von ihrem Geschäftsmodell nutzen können. Aktuelle Beispiele sind die Rückverfolgbarkeit von Materialien oder Second Market Places für Luxury Goods.
Mit der Blockchain kann man nachvollziehen, dass Rohstoffe gemäss Good Governance und nachhaltig hergestellt worden sind. Das sind Themen, die nicht nur theoretisch existieren, sondern auch praktisch in Anwendungen.
Blockchain entpuppt sich also als wirklicher Trend aus deiner Sicht?
Ja, absolut. Es war vielleicht vor zwei bis drei Jahren noch ein Buzzword. Mittlerweile haben sich in gewissen Bereichen neue Potenziale und Möglichkeiten eröffnet. Daher ist es aus meiner persönlichen Sicht absolut ein Trend geworden.
Und was sind die zentralen Themen bei Valtech?
Valtech hat einen starken Fokus auf den Themen Client Experiences, Data Driven Product und Service Innovation. Also konkret: Wie kann man in Echtzeit Daten nutzen, um seine Produkte oder die User Experience zu personalisieren und ständig weiterzuentwickeln.
Bevor wir noch weiter auf Valtech zu sprechen kommen, die letzte persönliche Frage. Was war in den letzten zwölf Monaten deine grösste Herausforderung und wie hast du sie gelöst?
Ich glaube, die grösste Herausforderung, die uns alle sehr betroffen hat, sei es privat oder auch beruflich, ist die aktuelle Pandemie. Und nicht nur das Virus selbst, sondern auch, dass es uns verunmöglicht hat zu interagieren, so wie wir es normal getan haben.
Persönlich habe ich versucht, meine Balance zu behalten. Es hat sicher auch ein bisschen Disziplin gebraucht, sich zu zwingen, aus dem Büro oder aus diesem Lockdown-Gedanken rauszukommen. Zudem war es auch wichtig zu verstehen, dass diese nicht erfüllten Bedürfnisse an persönlicher Interaktion zu kompensieren sind. Dafür haben wir bei Valtech einige Möglichkeiten und Plattformen geschaffen, die vorher so nicht existiert hatten.
Hast du dazu ein konkretes Beispiel?
Wir haben virtuelle Apéros, Online-Kochkurse oder eine virtuelle Weindegustation mit einem Winzer aus dem Wallis organisiert. Zudem haben wir einen Gamified Virtual Retreat durchgeführt, bei dem wir in unterschiedlichen Gruppen gewisse Aufgaben lösen mussten. Man ist zu Hause, aber trotzdem im Team. Diese Aktivitäten haben unser Zusammengehörigkeitsgefühl wirklich verstärkt und gefördert.
Generell muss man einfach noch mehr für die Mitarbeiter:innen da sein, weil man diese physischen Touchpoints nicht mehr hat.
Das letzte Mal, als wir 2019 den Digital Economy Award durchgeführt hatten, hiess deine Firma noch Infocentric. Und dann ist in der Zwischenzeit einiges passiert. Was genau?
Infocentric war vor rund drei Jahren ein etablierter Player am Markt für alle Herausforderungen rund um die digitale Transformation mit rund 60 Mitarbeitenden. Die steigende Nachfrage für grosse Projekte von unseren Kunden hat uns dazu bewogen, einen strategischen Partner zu suchen, um unsere Kapazitäten entsprechend auszubauen.
Das klingt nach einem logischen Wachstumsschritt.
Es gab natürlich viele Gründe, wieso Valtech und Infocentric zusammengekommen sind. Einer davon ist jedoch sicherlich, dass wir die gleiche Vision und Positionierung hatten. Beiden ist die Fähigkeit, die Brücke zu schlagen zwischen neuen Trends, neuer Technologie und dem Businessmodell des Kunden, sehr wichtig.
Und was hat sich für dich persönlich in deiner Rolle geändert? Die Firma ist ja jetzt international und grösser.
Meine Rolle hat sich nicht gross geändert. Ich war vorher schon zuständig für die Kunden, für das Team und die Entwicklung des Geschäfts. Das bleibt weiterhin so.
Ganz stark geändert hat sich jedoch der Kontext. Mit Valtech haben wir mittlerweile viel mehr Möglichkeiten, Zugang zu neuen Expertisen oder Zugang zu Nearshore- oder Offshore-Ressourcen. Wir sowie unsere Kunden können damit viel mehr Know-how anzapfen. Auch unsere Mitarbeitenden haben in einem ganz wichtigen Punkt profitiert. Ihnen eröffnen sich mit Valtech neue Karriereperspektiven.
Ich nehme an, Infocentric hat vorher auch schon Offshore-Ressourcen gehabt?
Nein, wir hatten Nearshore-Kapazitäten in Nordmazedonien mit ungefähr 25 Leuten. Nun mit Valtech haben wir mittlerweile über 1000. Mit unseren Teams in Indien und Asien haben wir die Möglichkeit, für gewisse Kunden bis zu drei Teams zur Verfügung zu stellen, welche rund um die Uhr für sie da sind. Diese Fähigkeit, mit Nearshore- oder Offshore-Teams zu arbeiten, sehen wir als ein absolutes Muss, um längerfristig in diesem Markt kompetitiv zu bleiben.
Und noch ein letzter Punkt: Auch sehr spannend ist unsere Art und Weise, Probleme und Lösungen sehr interdisziplinär anzugehen. Indem wir sehr schnell Strateg:innen, Konzepter:innen, Kreative, Data Scientists und Techies zusammenbringen. Und rasch neue Lösungen auf den Markt bringen, sie testen und dabei ständig lernen.
Da seid ihr gut gerüstet für die wachsende Nachfrage.
Ich glaube, jede Firma weiss, dass man sich ändern muss, und viele haben diese Transformationsreise begonnen. Der Bedarf ist da und unsere Positionierung sowie unser Angebot entsprechen klar einem grossen Marktbedürfnis. Deswegen bin ich sehr positiv gestimmt für Valtech, aber auch für unsere Industrie. Für Valtech in der Schweiz wollen wir weiterhin recht aggressiv wachsen. Wir wollen unsere Position als führende Agentur für Business Transformation weiterhin stärken.
Das klingt, als ginge es fast wie von selbst.
Natürlich ist es nicht so einfach, wie es tönt. Es braucht gute Leute, die richtigen Themen, die richtige Positionierung und die richtige Unternehmenskultur sowie Agilität. Aber generell bin ich sehr zuversichtlich, dass wir mit unserem Team dieses ambitiöse Ziel erreichen werden.
Viele Digitalisierungsdienstleister zählen zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Valtech auch?
Generell gehören weder unsere Branche noch wir zu den Verlierern. Wir hatten bei Valtech keine Umsatzeinbussen wegen der Pandemie, denn es gab glücklicherweise keine Aufträge, die gestoppt wurden. Wir konnten unsere Arbeit digitalisieren und von zu Hause aus erledigen. Zudem konnten wir Arbeiten, welche ursprünglich beim Kunden vor Ort gemacht wurden, delokalisieren. Gewisse Themen hatten wir schon vor der Pandemie antizipiert und somit haben wir Prozesse und Tools bei unseren Kunden eingeführt oder vorgeschlagen, welche die Remote-Arbeit problemlos ermöglichen.
Für uns hat alles sehr gut funktioniert. Ich weiss aber auch, dass es andere gibt, für die es nicht so einfach war.
Wie (digital) innovativ ist die Schweiz eigentlich insgesamt, im Jahr 2021?
Die Antwort für die Schweiz ist gemischt. Es gibt Bereiche wie Blockchain oder Crypto, wo die Regierung sich sehr aktiv bemüht, um für die Schweiz gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir eine führende Rolle in diesem Bereich wahrnehmen können. Das finde ich sehr lobenswert und sehr gut.
Wie sich das Startup-Ökosystem entwickelt, finde ich toll. Die Schweizer Investoren haben mehr Bereitschaft, Geld in Ideen und Startups zu investieren. Ich finde, wir werden besser, um diese Ideen wirklich auch zu fördern und ihnen eine Chance zu geben.
Es gibt aber andere Bereiche, wo wir meiner Meinung nach zu langsam, zu konservativ und zu schweizerisch sind. Ich nehme das Beispiel der E-ID, die vom Volk abgelehnt wurde. Dort würde ich mir durchaus etwas mehr Risikofreudigkeit und Verständnis für die Thematik wünschen.
Du hast gesagt, dass es die Köpfe und Initiativen eigentlich gibt in der Schweiz. Aber man sieht sie teils noch nicht oder sie kriegen nicht genug Geld. Du bist nach wie vor beim Digital Economy Award engagiert. Was ist für dich dabei das Wichtigste?
Das ist unser Beitrag, um diese Visibilität zu fördern und der Öffentlichkeit das Thema rund um die Digitalisierung und die Potenziale zu zeigen. Das finde ich wirklich extrem wichtig und ich bin sehr froh, dass wir den Digital Economy Award mit Valtech dieses Jahr weiterhin unterstützen können. Der Award ist eine einzigartige und tolle Plattform, um den Austausch zwischen der Wirtschaft und der Digital-Branche zu fördern, uns gegenseitig zu messen und auf neue Ideen zu bringen. Und ich finde es absolut lobenswert und bin sehr erfreut zu sehen, dass dieser Award jetzt auch mit digitalswitzerland zusammenkommt, weil das wirklich schweizweit verankert werden muss.
Uns bleibt zu hoffen, dass der 11. November wirklich live vor Ort stattfinden kann. Auf was freust du dich persönlich am meisten?
Wie immer freue ich mich auf tolle Projekte und darauf, den Fortschritt, den die Schweiz im Bereich Digitalisierung gemacht hat, beobachten zu dürfen. Ich freue mich auch auf neue Perspektiven und spannende Gespräche. Und wie du sagst, würde ich mich dieses Jahr besonders auf den persönlichen Kontakt freuen mit alten Bekannten, aber auch mit spontanen neuen Begegnungen. Das wäre toll.
Vielen Dank für das Gespräch.
Bild: zvg / Valtech
Disclaimer: Valtech ist Platin-Partner des Digital Economy Awards. Der Digital Economy Award wird veranstaltet vom ICT-Fachverband swissICT, von der Organisation digitalswitzerland, sowie dem Fachverlag Netzmedien AG. Der Digital Economy Award entstand 2018 durch einen Zusammenschluss des Swiss ICT Award und des Swiss Digital Transformation Award. Die nächste Verleihung findet am 11. November 2021 im Hallenstadion in Zürich statt.