15. Juni 2021
«Für Augmented und Virtual Reality braucht es ausgebildete Fachkräfte»
Bis vor ein paar Jahren wurden Augmented und Virtual Reality noch als Fantasterei aus Science-Fiction-Filmen angesehen oder als Hype belächelt. Wo stehen wir heute?
Schaut man sich an, welche Summen die grossen Player wie Apple, Google, Facebook etc. in die Weiterentwicklung immersiver Technologien stecken, dann liegt es auf der Hand, dass das kein kleines Strohfeuer ist. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen digitalen Ära – vergleichbar wie damals mit dem Internet oder dem Aufkommen der Smartphones.
Das wird aber schon länger prognostiziert…
Das stimmt. Es brauchte viel Geduld. Hard- und Software-Komponenten waren für den produktiven Einsatz einfach noch nicht ausgereift. Aber momentan überschlagen sich die Ereignisse. Es kommen laufend neue und preiswertere Lösungen auf den Markt und wir sehen immer mehr Anwendungen mit realem Nutzwert in sämtliche Bereiche des privaten und beruflichen Lebens vordringen. XR-Technologien (Augmented, Mixed, Virtual Reality) haben den Sprung in die Praxis geschafft und sind in den Unternehmen angekommen. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Schweizer Unternehmen schon an den Themen dran sind. Vieles findet im Moment noch hinter verschlossenen Türen statt. Aber es ist äusserst spannend mitzuverfolgen, was für kreative Ideen da am Entstehen sind – in allen möglichen Branchen.
Die Fachhochschule Graubünden bietet ab Herbst 2021 ein berufsbegleitendes CAS Augmented und Virtual Reality an. Ist der Markt schon bereit dafür?
Wenn ich mit Fach- und Führungskräften und Verantwortlichen von Innovationsabteilungen spreche, die XR-Projekte im Unternehmen lancieren, haben viele das gleiche Problem. Es gibt kaum ausgebildete Fachkräfte mit spezialisiertem Knowhow. Man probiert deshalb Sachen in Trial- und Error-Manier aus. Wenn Mitarbeiter:innen aber bei Null anfangen, sich selber in die Materie einlesen und einarbeiten müssen, bindet das wertvolle Ressourcen und Projekte verzögern sich wegen fehlender Expertise. Ich kam zur Einsicht, dass die Fachhochschule Graubünden mit einem entsprechenden Weiterbildungsangebot reagieren muss. Sonst riskieren wir, dass der Schweizer Wirtschaftsstandort bei dieser Entwicklung irgendwann hinterherhinkt.
Welche Kompetenzen werden im CAS vermittelt?
Die Teilnehmer:innen lernen in vier Modulen, was es alles für eine erfolgreiche Konzeption, Planung und Umsetzung von XR-Anwendungen braucht. Nach dem Abschluss können Sie das Gelernte in ihre jeweilige Praxis transferieren, als Schnittstelle zwischen externen und internen Auftraggebern fungieren und XR-Projekte umsetzen. Die Modulleiter:innen sind alles XR-Profis und verfügen über langjährige Erfahrung in der Umsetzung von AR- und VR-Projekten – sei es auf Unternehmens- oder Agentur-Seite. Weitere Expert:innen bringen ihr Knowhow in Gastreferaten ein.
Welche konkreten Inhalte werden behandelt?
Das Curriculum ist breit gefächert, weil XR sehr interdisziplinär ist und daher viele Diziplinen ineinandergreifen. Alles aufzuzählen würde hier den Rahmen sprengen, aber ich picke einfach ein paar raus: Anwendungsfelder, Potenziale, Best-Practices-Beispiele und Case Studies, Technologie-und Umsetzungsknowhow, Grundverständnis von Spatial UX/UI, Storytelling im 3D-Raum, Usability Testing und Evaluation von XR-Anwendungen, technologische Zukunftstrends und Verflechtungspotenziale etc.
Uns ist es wichtig, dass die Teilnehmer:innen viele Sachen selber ausprobieren und testen können. Denn nur so erschliesst sich die Faszination, Potenziale werden aufgezeigt und es entstehen neue Ideen für spannende Umsetzungen. Das richtige Mindset ist ebenso wichtig wie Fachwissen. Denn wer für XR designt, betritt sehr oft Neuland. Die Leute wissen, wie man eine Computer-Maus bedient oder auf dem Smartphone swipt. Aber im 3D-Raum müssen wir vieles neu denken, ausprobieren, testen.
Welchen Einfluss hat die Pandemie auf den Weiterbildungssektor?
Unsere Gewohnheiten und Ansprüche haben sich verändert. Vieles wird bleiben, auch wenn sich irgendwann wieder eine gewisse «Normalität» einpendelt. Darauf müssen Bildungsinstitutionen reagieren. Persönlicher Kontakt vor Ort ist wertvoller geworden. Wir haben aber auch die Bequemlichkeit des virtuellen Austauschs schätzen gelernt. Daher haben die anderen Modulleiter und ich bei der Konzeptionierung des CAS diese beiden Grundsätze aufgenommen und daraus ein Trainingssetting entwickelt, das unseren eigenen Erwartungen an eine moderne Post-Corona-Weiterbildung entspricht.
Wie sieht das konkret aus?
Präsenzveranstaltungen werden sparsam und effizient eingesetzt. Ergänzend werden interaktive Webinare remote durchgeführt. Online-Vorlesungen on demand können immer dann angeschaut werden, wenn die Teilnehmenden Zeit dafür finden. Wenn es in Modul 3 und 4 immer mehr um die konkrete technische Umsetzung von XR-Anwendungen geht, werden angeleitete Tutorials eingesetzt, die im Selbststudium in eigenem Tempo erarbeitet werden können. Eine gute Vereinbarkeit der Weiterbildung mit Familie und Beruf ist uns wichtig. Dank moderner Lehrmethoden kann das Studium zu grossen Teilen ortsunabhängig absolviert werden.
Welche Zielgruppe wird mit dem Angebot angesprochen?
Das CAS richtet sich an Fach- und Führungskräfte und Verantwortliche von Innovationsabteilungen aus unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen. Angesprochen werden auch Projektleiter:innen in Agenturen, die XR-Lösungen für unterschiedlichste Kunden entwickeln sowie Multimedia Producer:innen, die sich fit machen wollen für den Umgang mit den neuen Medien.
Bild: zvg / Fachhochschule Graubünden
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