19. Dezember 2025

Swiss-made ICT: Konkrete Alternativen für mehr digitale Souveränität

Cloud-Infrastrukturen, Kollaborationsplattformen und KI-Services sind heute unverzichtbar. Gerade weil sie so zentral geworden sind, offenbart sich aber eine heikle Realität: Mit der technischen Abhängigkeit wachsen auch rechtliche, politische und strategische Abhängigkeiten. swissICT-Partner Renuo hat eine Liste von Anbieterunternehmen zusammengestellt, die Lösungen «Swiss-made» offerieren.

Wenn Daten und Dienste bei internationalen Hyperscalern liegen, gelten nicht nur deren technische Standards, sondern auch rechtliche Rahmenbedingungen. Ein Dienst oder ein Rechenzentrum mag zwar in der Schweiz betrieben werden, ABER:  unterliegt das dahinterstehende Unternehmen ausländischem Recht, kann bspw. amerikanisches oder europäisches Recht greifen. Spätestens seit dem US CLOUD Act ist bekannt, dass amerikanische Behörden unter bestimmten Voraussetzungen auf Daten zugreifen können, selbst wenn sich die Server physisch in Europa oder der Schweiz befinden. In Kombination mit europäischen Regulierungen wie der DSGVO oder dem künftigen AI Act entstehen so reale Druckpunkte für Unternehmen und Organisationen. Digitale Souveränität ist damit kein theoretisches Konstrukt. Sie berührt Standortpolitik, Compliance, Risikomanagement und die strategische Resilienz von Organisationen ganz konkret.

Mehr als nur der Standort des Rechenzentrums

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, die Diskussion über den Hosting-Standort einer Dienstleistung zu erweitern: hin zur Eigentümerstruktur, zur rechtlichen Verankerung und zur Frage, wo Entwicklung und Betrieb tatsächlich stattfinden. Ein Rechenzentrum in der Schweiz allein sagt noch wenig über die anwendbaren Rechtsräume oder den Zugriff durch ausländische Behörden aus. Genau hier setzen offizielle Qualitätslabels wie «swiss made software» und «swiss hosting» an. Sie definieren klare Kriterien für Entwicklung, Betrieb und rechtliche Verankerung in der Schweiz. In den vergangenen Jahren hat sich auf dieser Basis eine vielfältige Landschaft spezialisierter, helvetischer ICT-Anbieter entwickelt. Diese Unternehmen sind teilweise weniger bekannt, bieten aber gerade deshalb spannende Ansätze: Lösungen, die konsequent in der Schweiz entwickelt, betrieben und rechtlich verankert sind und damit neue Handlungsspielräume eröffnen.

Swiss-made: eine Auflistung schweizerischer Anbieterunternehmen

Um diese Vielfalt sichtbar zu machen, hat swissICT-Partner Renuo eine Übersicht helvetischer ICT-Angebote zusammengestellt, die wir untenstehend gerne auflisten. Sie versteht sich ausdrücklich nicht als Abgrenzung oder Gegenmodell, sondern als sachliche Orientierungshilfe: Welche „Swiss-made“-Optionen gibt es heute, wenn digitale Souveränität ein relevantes Kriterium in der eigenen ICT-Strategie ist?

Die folgende Auswahl zeigt exemplarisch, welche Möglichkeiten sich bereits heute eröffnen:

Deploio: Eine Schweizer PaaS- und App-Engine mit Hosting und Betrieb in Zürich, betrieben von Nine Internet Solutions. Eine helvetische Alternative zu Heroku oder Render mit klarer Datenhoheit.

Appuio: Die von VSHN und Puzzle ITC gegründete Kubernetes-Plattform bietet eine Alternative zu Google Cloud Run oder Red Hat. Sie ermöglicht volle Kontrolle über Container-Umgebungen und richtet sich an Organisationen mit hohen Ansprüchen an Offenheit und Flexibilität.

Open Circle: Betreibt eine „Swiss Business Cloud“ für KMU auf Basis von Open-Source-Technologien, mit Rechenzentren in Zürich und Bern und einem starken Fokus auf Transparenz. Eine mögliche Alternative zu amerikanischen Datencentern.

transferly.swiss: Entwickelt von der Digio AG ist transferly.swiss eine datenschutzfreundliche Alternative zu WeTransfer für den sicheren Austausch von Dateien, Passwörtern und Nachrichten, Ende-zu-Ende-verschlüsselt und mit automatischer Löschung.

SwissTransfer: Von Infomaniak betrieben, ermöglicht den kostenlosen Versand grosser Dateien (bis 50 GB) ausschliesslich über Schweizer Rechenzentren.

Hostfactory: Schweizer Anbieterin für Webhosting, dedizierte Server und Domains mit Fokus auf KMU und lokalem Support. Eine Alternative zu globalen Hosting-Plattformen.

Fidentity: Eine Berner Anbieterin für digitale Identifikation (Video-Ident, E-ID, automatisierte Ausweiserkennung), eingesetzt von Banken und Versicherungen. Alternative zu US-Diensten wie Onfido oder Jumio.

Infomaniak kSuite: Eine Schweizer Collaboration-Suite als Alternative zu Google Workspace mit Mail, Kalender, Drive und Office-Tools, vollständig in der Schweiz betrieben.

Friendly: Eine Schweizer Marketing-Automation-Plattform als Alternative zu Mailchimp oder HubSpot, inklusive Newsletter, Automation und Consent-Management.

Klara: Eine KMU-Software für Buchhaltung, Lohn und Administration, entwickelt für Schweizer Anforderungen als einheimische Alternative zu internationalen ERP-SaaS-Lösungen.

Ein Blick in die Praxis

Der konkrete Nutzen solcher Angebote zeigt sich vor allem im praktischen Einsatz. Gerade bei Platform-as-a-Service-Lösungen spielen neben funktionalen Anforderungen auch Fragen der Datenhoheit, der rechtlichen Klarheit und der operativen Nähe eine entscheidende Rolle.

Ein Beispiel dafür ist Deploio: Die Renuo AG arbeitet selbst täglich mit dieser Schweizer Platform-as-a-Service-Lösung und setzt sie sowohl in Kundenprojekten als auch für eigene Anwendungen ein. Die swissICT-Parterin war zudem an der Einführung von Deploio beteiligt und bringt ihre Erfahrung aus Softwareentwicklung und Betrieb direkt in die Nutzung der Plattform ein. Ausschlaggebend für den Einsatz waren moderne Developer-Workflows, klare Datenhoheit und der Verzicht auf Abhängigkeit von internationalen Hyperscalern.

Digitale Souveränität ist möglich, aber kein Selbstläufer

Diese Beispiele zeigen: In der Schweiz ist das Potenzial für digitale Souveränität vorhanden. Es ist greifbar, wenn auch oft noch wenig sichtbar. Organisationen, die sich frühzeitig mit solchen Alternativen auseinandersetzen, betreiben nicht nur Risikomanagement, sondern stärken aktiv ihre eigene Zukunftsfähigkeit und jene des Standorts Schweiz.

Natürlich bringen spezialisierte Anbieterfirmen auch Herausforderungen mit sich: Fragen nach Skalierbarkeit, langfristigem Support oder Integrationsaufwand sind legitim. Doch genau hier liegt für viele Organisationen auch eine Chance. Wer bewusst auswählt, gewinnt Transparenz und Kontrolle zurück.

Digitale Abhängigkeit macht erpressbar und die Schweiz hat längst begonnen, Antworten darauf zu entwickeln. Sie reichen von souveränen Cloud- und Hosting-Angeboten über sichere Kommunikations- und Transferdienste. Für Entscheider:innen in Wirtschaft, Verwaltung und Forschung liegt der Mehrwert darin, diese Vielfalt zu kennen und ernsthaft in die eigene Strategie einzubeziehen. Denn wer heute handelt, reduziert nicht nur regulatorische Risiken, sondern stärkt die digitale Resilienz der Schweiz insgesamt.

 

Über den Autor

Samuel Steiner

Samuel Steiner ist Geschäftsführer der Renuo AG. Er verbindet strategischen Weitblick mit pragmatischer Umsetzung und begleitet Kunden von der Idee bis zur passenden digitalen Lösung.

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