1. April 2017

Was bin ich – und wenn kein Informatiker, was dann?

Meinung

Gerade haben wir das Buch «Berufe der ICT» in neuer Auflage herausgegeben und die Gelegenheit genutzt, dabei ein wenig in die Vergangenheit unseres Berufsstandes, aber noch viel mehr in dessen Zukunft zu schauen. Ein besonderes Augenmerk richteten wir dabei auf die Zukunft der Informatiker 50+, die unterdessen einen nicht unerheblichen Anteil unserer Zunft bevölkern.

Nicht nur bei der Präsentation unseres Standardwerkes «Berufe der ICT», sondern bei fast jeder Diskussion rund um unseren Berufsstand kam ich nicht umhin zu fragen, was denn so ein Informatiker 50+ eigentlich ist. 50+, das verstehe ich noch. Aber was ist denn ein Informatiker?
Nun, Antworten habe ich viele erhalten. Im Folgenden eine kleine Auswahl:

  • Jeder ist ein Informatiker, dessen Tätigkeit wir im Buch «Berufe der ICT» finden.
  • Ein Informatiker ist jemand, der schon mal Software entwickelt hat.
  • Alle diejenigen, die eine Informatiklehre gemacht haben, sind in jedem Fall Informatiker.

Dies nur eine kleine Auswahl der Antworten, die ich erhalten habe. Überzeugt hat mich keine. Für jede finde ich umgehend viele Argumente, die nahelegen, dass diese Aussagen eigentlich nicht stimmen können.

Fragen wir uns doch einfach, was es braucht, um ein «guter» Informatiker zu sein. Zuoberst werden oft Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Projektmanagement genannt. An genau dem Fehlen dieser würden nämlich die grossen Informatikprojekte scheitern. In der Sache richtig, nur hilft es mir immer noch nicht, meinen Informatiker zu identifizieren.

Dann versuchen wir es doch mit Analogien. Was ist ein Architekt, ein Anwalt, ein Arzt, ein Ingenieur? Ein Architekt ist jemand, der Häuser baut, ein Anwalt ist jemand, der seinen Klienten zu ihrem Recht verhilft, ein Arzt ist jemand, der Menschen gesünder macht, ein Ingenieur ist jemand, der Maschinen baut.

Wenn ich diese Analogie weiterführe und mir überlege, was sollte das Ergebnis der Arbeit eines Informatikers sein, so ende ich zwangsläufig bei einer der Definitionen, die mir bisher am besten gefallen haben:

«Ein Informatiker ist jemand, der Software entwickelt, die man nicht wegwerfen muss.» 

Ich spüre bereits den Sturm der Entrüstung von allen Lesern, die sich in dieser Definition nicht wiederfinden. Und ich weiss, auch diese greift zu kurz. Aber sie kommt meinem Idealbild eines Informatikers am nächsten. Wer das kann, der hat viele weitere ICT-Kenntnisse im Normalfall auch – und wenn nicht, dann wird er oder sie es schnell lernen. Und das gilt im Übrigen auch für die Informatiker 50+.

Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat

(Die Kolumne «Seitenblick» erscheint monatlich im swissICT Magazin und muss nicht die Meinung von swissICT wiedergeben.)

PS: Ich habe während vieler Jahre Tag und Nacht programmiert und später auch Informatikstudenten betreut – ich bin aber kein Informatiker (mehr).
PPS: Ich habe mal Medizin studiert und Menschen gesünder gemacht. Ich bin aber kein Arzt (mehr).
PPPS: Ich bin Unternehmer und Manager mit grosser Begeisterung für die Informatik als das Werkzeug, mit dem wir die (digitale) Zukunft gestalten werden. Nun, vielleicht bin ich ja jetzt ein Digitalisierer – und habe einen Beruf, den wirklich niemand definieren kann.

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