1. September 2017
Wer liess da schon wieder das Licht brennen?
Dieser Dienstag war mal wieder ein langer Tag. Am Nachmittag VR-Sitzung bei meinem Lieblingsunternehmen, dann Tennis bis 22 Uhr mit meinen ehemaligen Handballkollegen und schliesslich die Fahrt nach Hause. Die Familie schläft schon tief – nehme ich zumindest an. Im Estrich brennt das Licht. Ist schon von Weitem zu sehen – deshalb sagt mein Nachbar auch immer spöttisch, mein Haus sei ein Einfamilienhochhaus: kleine Grundfläche, viele Stockwerke. Aber Treppensteigen ist ja gesund. Im Estrich sollte aber um die Zeit kein Licht mehr brennen, und im Badezimmer auch nicht und schon gar nicht auf der Terrasse. Da hat mal wieder jemand das Licht brennen lassen, ärgere ich mich schon. Von Ökologie hat meine Familie einfach keine Ahnung – und den Strom zahle ja ich.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer komme ich dann an meinem kleinen Refugium vorbei (dort, wo meine private Elektronik drin ist). Als ich die Türe aufmache, kommt mir ein wohlig warmer Luftzug entgegen. Ich halte kurz inne und mein Ärger wird durch Schamgefühl verdrängt. Alle meine Computer, der Bildschirm, die völlig überdimensionierten Netzwerkelemente, mit ihren vielen kleinen Netzteilen, die externen Disks, Scanner und Drucker haben das Zimmer warm gehalten – vermutlich so gegen die 2000 Watt heizen hier gemütlich vor sich hin. Produziert haben diese 2000 Watt herzlich wenig – ausser Wärme. Relativ unnötige, teure und unökologische Wärme. Da sind die paar brennenden Energiesparlampen, die etwas zu lange gebrannt haben, ein Klacks dagegen.
Es sind aber nicht nur Computerfreaks (heute empfinde ich die Bezeichnung als Kompliment), die ihr kleines Rechenzentrum zu Hause betreiben. Viele kleine und mittlere Unternehmen machen dasselbe. Ihre Serverräume und Mini-Rechenzentren sind rund um die Uhr in Betrieb. Kaum eines der Geräte ist ausgelastet – schon gar nicht nachts, wenn niemand im Büro ist. Denn sie sind meist völlig überdimensioniert für den üblichen Verwendungszweck. Die effektiv genutzte Rechenleistung oder Netzwerkkapazität steht in keinem Verhältnis zur verbrauchten Energie.
Der Energieverbrauch aber ist relevant. Mit zunehmender Digitalisierung wird dieser weiter steigen. Bereits heute verbrauchen Serverräume und Rechenzentren 1 660 000 Megawattstunden pro Jahr. Das sind fast 3 Prozent des gesamten Strombedarfs der Schweiz.
Aus Sicht des Betreibers eines Serverraumes mag der Stromverbrauch nicht so sehr ins Gewicht fallen. In der Summe ist es aber viel zu viel.
Bald wird sich auch die politische Diskussion vermehrt diesem Thema zuwenden. Lassen wir es nicht so weit kommen, dass auch hier der Regulator eingreifen will, und gehen wir das Thema deshalb proaktiv an.
Unser Schwesterverband, die asut, hat eine Kampagne gestartet, die sich an Betreiber von Rechenzentren, grossen und vor allen Dingen kleinen, IT-Berater, Energie- und Klimaberater, Installateure, die Energiewirtschaft und die IT-Branche wendet. Ziel der Kampagne ist es, zu sensibilisieren und Lösungen aufzuzeigen, wie wir aus weniger Strom mehr digitale Wirtschaftsleistung erzeugen können.
Setzen auch Sie sich damit auseinander, denn es ist ein Thema, wo Ökologie und Ökonomie zum Glück für einmal nicht im Widerspruch stehen. Beide Themen müssen wir im Auge behalten, wenn wir einen erfolgreichen und nachhaltigen digitalen Werkplatz Schweiz wollen.
Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat
(Die Kolumne «Seitenblick» erscheint monatlich im swissICT Magazin und muss nicht die Meinung von swissICT wiedergeben.)