31. März 2020

Krisensicher ohne Krisenstab – wie Holacracy Corona begegnet

Idee der Selbstorganisation: Das swissICT Mitglied Liip kann sich dem Markt in Echtzeit anpassen. COVID-19 testet dies gerade ad Extremum. Ein Zwischenfazit.

von Jenny Zehnder, Liip AG

Seit 2016 arbeitet die Digitalagentur Liip nach Holacracy – eine der bekanntesten Formen der Selbstorganisation. Immer wieder wurden wir in den vergangenen vier Jahren gefragt: Funktioniert diese Organisationsform auch in Krisen?

Nach drei Wochen im Ausnahmezustand sagen wir JA, Selbstorganisation funktioniert auch in der Krise. Denn eine Krise ist nichts anderes als eine komplett neue Marktsituation – auf die sich das Unternehmen ausrichten muss. Und genau dafür wurde das System geschaffen. Das Krisenmanagement organisiert sich dabei radikal anders als bei klassischen Organisationen und ihrem Krisenstab.

Selbstorganisation zu COVID-19 Zeiten

Ende Februar änderte der erste bestätigte Corona Fall der Schweiz auch bei Liip einiges. Umgehend wurde eine Rolle kreiert, die sich um die Handhabung der sich anbahnenden Krise kümmert. Entstanden ist diese Rolle im «People Circle». Dieser Kreis hat den Zweck, eine gesunde Beziehung zwischen Liip als Unternehmen und Liipers sicherzustellen. Somit ist die Rolle nicht «oben» auf C-Level angesiedelt – sondern dort, wo es um das Wohl der Mitarbeitenden geht.

Die Rolle heisst «Influenza Specialist». Die Aufgaben des «Influenza Specialist» werden stets den Bedürfnissen der Organisation angepasst und erweitert – so kann sich die Rolle genau die Autorität nehmen, die sie braucht, um ihr Ziel – bei uns «Purpose» genannt – zu erfüllen. Aus ursprünglich zwei Expert*innen aus HR und Marketing sind nach und nach Personen aus verschiedenen Geschäftsbereichen hinzugekommen.

Aktuell haben neun Personen die Rolle inne. Jede Person mit einem anderen Fokus. Alle mit einem gemeinsamen Ziel: der Erhaltung der vitalen Prozesse des Unternehmens. Um diese Rolle zu unterstützen – bei der logistischen Verteilung von Hände Desinfektionsmittel zum Beispiel – wurden an den fünf verschiedenen Standorten lokale Rollen geschaffen.

Krisenstab the Liipway

Von einem Krisenstab ist die Rolle des «Influenza Specialist» nicht weit entfernt. Allerdings sind bei Liip nicht die hierarchisch wichtigen Personen im Krisenstab, sondern diejenigen, die die nötige Expertise für diese Herausforderung besitzen. Wie immer in der Selbstorganisation: Nicht die Position wählt dabei die Personen aus, sondern gute Argumente.

Dabei ist die Selbstorganisation so ausgelegt, dass dies alles sehr schnell funktioniert. Innert einen Monat wurden verschiedene Szenarien angedacht und umgesetzt. Das Tagesgeschäft musste sich der neuen Marktsituation anpassen, die rechtlichen Grundlagen änderten sich fast täglich. In klassischen Krisenstäben sind dazu oft bereits Pläne und Szenarien vorhanden. Bei Liip gab es kein vorgefertigtes Krisen-Set-up. Sämtliche Aktivitäten und Szenarien gemäss der aktuellen Situation entwickelt und sind für alle Mitarbeitenden transparent.

Weil alle abgeholt sind, haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit auch in anderen Rollen mitzudenken. So werden viele kreativen Ideen erzeugt und verfolgt.

Informierte Mitarbeitende zahlen sich aus

Ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements ist die Kommunikation. Die Ängste und das Informationsbedürfnis aller sind in den letzten Wochen klar gestiegen. Damit sich die Mitarbeitenden weiterhin voll auf ihre Arbeit konzentrieren können, müssen sie umfassend und kompetent informiert sein. Denn beruhigte Mitarbeitende sind starke und effiziente Mitarbeitende. Die Kommunikation zur Krise fand über die Messenger-App Slack statt.

Seit Februar wurden im #announcement Slack-Kanal 14 Push-Notifications geteilt. #announcement ist der Kanal, den alle Mitarbeitende abonniert haben und aus dem niemand austreten darf. Zusätzlich entstanden nach und nach weitere Kanäle zur Corona-Krise, in denen diskutiert und gefragt wird. So wurde #ask-corona für Fragen rund um die Massnahmen erstellt. In #corona-diskussions wird öffentlich über die Lage diskutiert.

Unter #corona-childcare wurden die vielen Fragen unserer Familienväter und -mütter besprochen. Wie in anderen Organisationen wurde bei Liip eine interne Wiki-Seite mit mittlerweile 12 Unterseiten angelegt. Darin wurden die Regelungen und Massnahmen des Bundesrates kommuniziert, aber auch unternehmensspezifische Updates fanden Platz. Die Datenanalyse der Channels gab instant Feedback, ob die Kommunikation die Mitarbeitenden auch erreicht.

Kommunikation stärkt Kultur

Während der ganzen Krisenkommunikation wird darauf geachtet, jeweils direkt nach der Pressekonferenz des Bundesrates zu kommunizieren. So können die Mitarbeitenden darauf vertrauen, nichts zu verpassen – und gleichzeitig ihrer Arbeit nachzugehen. Zu Beginn der Krise informierten die Updates primär über die hygienischen Massnahmen und transportierten die Kampagne «so schützen wir uns».

In einer zweiten Phase folgten Informationen zu freiwilligem Home-Office welche kurze Zeit später in den Aufruf, zuhause zu arbeiten wechselten. Diese proaktive Informationskultur hatte den Vorteil, dass die Mitarbeitenden früher als in anderen Organisationen zu Hause blieben. Sie haben schon früh gelernt, dass sie der Krisenkommunikation vertrauen können und transparent, authentisch und schnell an alle Informationen gelangen.

Diese Art der Kommunikation baut Vertrauen und Loyalität auf. Die Mitarbeitenden spüren das Engagement der Kommunikationsverantwortlichen und lernen, dass, dass die Task-Force nicht alle Antworten kennt aber nichts zurückbehält. Engagement Das gibt das Vertrauen, dass jede Lösung auch weiterentwickelt werden kann.

Folglich konzentrieren sich die Personen in der Task-Force auf das Handling der Krise und alle anderen um ihren alltäglichen Job. Das erhöht die Produktivität und das Vertrauen grundsätzlich – oder lässt beides nicht unnötig schwinden.

Bild: zvg / Liip

Autorin: Jenny Zehnder ist Lead Marketing und Kommunikation bei Liip.

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