11. Mai 2021

Quanten-Nation Schweiz – gut, aber da fehlt etwas

Die kürzlich etablierte Politikkommission von swissICT hat mit einem Brief an den Bundesrat die Besorgnis des Verbandes über den möglichen Ausschluss der Schweiz vom «Horizon Europe»-Forschungsprogramm in den Bereichen Quanten- und Weltraumforschung ausgedrückt. Nun liegt die Antwort von Bundespräsident Guy Parmelin vor, sowie ein erstes positives Resultat. Hier ist eine kurze Würdigung, Kontext, und Kommentar. Und ein Milliardenvorschlag.

Zunächst ist es wichtig und gut zu wissen, dass der Bundesrat einen Vollbeitritt zu «Horizon Europe» (HEU) anstrebt. Dies bestätigt auch der Bundespräsident: 6 Milliarden sind für HEU und die Programme ITER, Euratom und Digital Europe beschlossen. Am Willen unserer Exekutive fehlt es also nicht. Der Bundespräsident warnt jedoch zugleich auch, dass die EU-Kommission bereits signalisiert, dass man entsprechende Gespräche von «Fortschritten» im Rahmenabkommen abhängig macht. Das ist auch schon unsere erste Erkenntnis: der Bundesrat -und damit Schweizer Diplomatie- werden auch im Bereich Forschung und Innovation oft mit dem Gesamtpaket der Beziehungen zur EU konfrontiert. Auch dieser Bereich wird von der EU als Hebel genutzt.

Das zuständige Departement, und damit das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), teilen gemäss dem Brief vom Bundespräsidenten die Besorgnis von swissICT betreffend den Ausschluss von den erwähnten Programmteilen. Dies gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Schweiz ganz erheblich an der Entwicklung der betreffenden Technologien beteiligt ist, beziehungsweise eine führende Rolle einnimmt.

Inzwischen scheinen die Bemühungen der Schweiz Wirkung gezeitigt zu haben. Im aktuellen Entwurf des Programms ist die Schweiz bei der Quantenforschung offenbar wieder dabei. Das ist (noch) nicht der Fall bei der Weltraumforschung. Was auch immer unsere Wissenschaftsdiplomatie getan hat: Gute Arbeit, danke!

Was können wir lernen? Ich fokussiere hier auf die Quantentechnologie, es ist eher das Gebiet von swissICT – das heisst aber keineswegs, dass Weltraum weniger wichtig wäre, in der Tat sind beide verknüpft. Die Universität Genf, der Swiss Quantum Hub, das Paul-Scherrer-Institut, die ETH, IBM Research in Zürich, CSEM und einige weitere grosse und kleine Akteure sind treibende Kräfte in unserem Land. Ein White Paper des Schweizerischen Wissenschaftsrates (SWR) vom letzten Jahr (LINK) macht klar: Die Quanten-Forschungsstrategie in der Schweiz mit dem nationalen Forschungsschwerpunkt QUSIT (LINK) und vorangehenden NFS in diesem Bereich hat Früchte getragen und die Schweizer Gruppen nehmen international führende Plätze ein. Unternehmen wie Terra Quantum, ID Quantique, und andere weisen auf das wirtschaftliche Wachstumspotential hin. Der Ruf der Schweizer Präzisionstechnologie ist legendär – und eine Schlüsselressource für Quantensysteme.

Die Schweiz belegt international einen Spitzenplatz in der Quantenforschung und das Schweizer Wissenschaftssystem macht gute, ja hervorragende Arbeit. Die EU will «technologische Souveränität» – Unabhängigkeit von den USA und China in strategischen Technologien – wirtschaftlich und auch sicherheitspolitisch.

Die Schweiz ist hervorragend für Quantenwachstum positioniert. Der SWR Bericht macht das deutlich. Und es ist auch unseren Partnern in der EU-Kommission klar.

Das führt uns zur zweiten Folgerung: Die Schweiz ist ein höchst attraktiver Partner in der Quantentechnologie und dieser Umstand ist wohl auch unserem «re-entry» zumindest im aktuellen Entwurf des «Horizon Europe» Arbeitsprogrammes zu Hilfe gekommen.

Alles okay also? Nein. Der SWR Bericht weist auch das deutlich aus. Was in der Schweiz fehlt, und es ist eine alte und immer wiederkehrende Geschichte, ist gut gefächertes Risikokapital, einschliesslich für frühe Finanzierungsrunden. Wenn wir Quanten-Innovation und Wachstum in der Schweiz sehen wollen, können wir es uns nicht leisten, auf unseren Händen (bzw. innovativen Erkentnissen) sitzen zu bleiben.

Ich schlage deshalb zweierlei Aktionen vor:

  1. Etablieren von quantentechnologischen Experimentier-Stationen in der Schweiz, wo Startups, etablierte Firmen, und Forschende realistische «Sandkasten»-Szenarien und experimentelle Ökosysteme bauen und testen können. Die Technologie dafür haben wir bereits und das Modell des Quantum-Hubs inspiriert.
  2. Etablieren eines 1-Milliarde-Franken privaten Quantentechnologie-Investitionsfonds für Schweizer Startups und Scaleups, mit einem besonderen Fokus (33%?) auf Frühstadium-Finanzierung mit höherem Risiko, bzw. auch «high-risk».

Der Bund kann hier helfen, vielleicht nicht mit Direktmitteln, aber eventuell damit, einen Teil des Risikos zu absorbieren oder anderen strukturelle Begleitmassnahmen als Teil der Recovery-Strategie. Gefragt sind aber in erster Linie die Finanzindustrie und Investoren – Geld ist vorhanden und Schweizer Quantentechnologie ist eine enorme Anlagegelegenheit.

Mein Beitrag kann die Koordination eines Fund-Konsortiums sein. Schreiben Sie mir oder der Geschäftsstelle von swissICT mit Ideen und Pledges.

 

Foto: Adobe Stock

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