23. September 2020

Unternehmen suchen Agilität, Geschäftsmodell-Innovationen und Co-Creation

In einer Umfrage der Fachgruppe Innovation von swissICT im 2. Quartal 2020 haben wir gefragt, welche Innovationen Schweizer Unternehmen benötigen.

Die meisten Rückmeldungen kamen aus der Beratung (35 Prozent), gefolgt von IT-Dienstleistern (24 Prozent) und Banken und Versicherungen (18 Prozent), wobei mittelgrosse und Grossunternehmen mit einem Gewicht von 80 Prozent auftraten.

Die quantitative Auswertung der Fragen unter Berücksichtigung qualitativer Kommentare führt zu folgender These: Firmen möchten primär bestehende Dienstleistungen ergänzen und erweitern. Sie wünschen sich ein agiles Innovationsmanagement, um innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, wobei sie Wissen in den Bereichen der gemeinschaftlichen Wertschöpfung (Co-Creation) suchen.

Der Artikel fasst die Ergebnisse und Erkenntnisse der Umfrage zusammen und zeigt unseren Beitrag zur Förderung von Innovationsvorhaben auf.

Decoding Innovation

Für unsere Volkswirtschaft ist Innovation ein entscheidender Faktor für Wettbewerb, Wachstum, Beschäftigung und hat einen Einfluss auf das Wohlstandsniveau. Die Schweiz erreicht immer wieder Spitzenplätze, wenn die Innovationsfähigkeit von Ländern verglichen wird. Allerdings ist das Wirtschaften ein dynamischer Prozess.

Während Trends Transformationsprozesse anstossen, führen uns unplanbare Ereignisse immer wieder vor Augen, dass es schwierig ist, mit plötzlichen Veränderungen umzugehen. Wir haben mit der Corona-Krise erlebt, dass ein Lockdown innerhalb weniger Tage ein neues Kundenverhalten erzwingt und dadurch die Weltwirtschaft zum Erliegen kommt.

Die Triebkräfte der Veränderung sind technologische und gesellschaftliche Entwicklungen, welche zukünftige Rahmenbedingungen schaffen. Veränderte Kundenbedürfnisse führen zu Chancen und Herausforderungen. Agilität und Innovationsfähigkeit entscheiden darüber, ob die Unternehmung wächst, schrumpft oder Konkurs geht. Das Zusammenspiel zwischen Menschen, Organisation und Technologie muss ganzheitlich und kontinuierlich angegangen werden.

Heute wird Innovation gleichgesetzt mit technischem Fortschritt. Dabei ist Technologie nur eine Dimension. Im Kern geht es darum, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu entwickeln und mit einem geeigneten Geschäftsmodell einen bestimmten Markt zu erschliessen. Die Lösung wird also erst zu einer Innovation, wenn der Kunde diese akzeptiert und darin einen Nutzen sieht.

Schauen wir genauer hin und bewerten die digitale Innovationsfähigkeit der Schweiz, dann sind wir gemäss einer Studie von BAK Economics und der Beratungsfirma Deloitte innerhalb der OECD-Länder nur noch Mittelmass. Auch wenn die Ausbildung in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) auf einem hohem Niveau ist und wir in Bildung und Industrie Top-Talente anziehen, fehlt es an Startup-Aktivität, Finanzierungsmöglichkeiten und dem Durchdringungsgrad digitaler Patente.

Innovationen sind besonders wichtig für neue Entwicklungen innerhalb von Zukunftstechnologien wie DARQ (Distributed-Ledger-Technologie, Artificial Intelligence, Extended Reality und Quantum Computing). Künstliche Intelligenz macht dabei fast die Hälfte aller Weltklassepatente im Bereich Digitalisierung aus. Weltklasse bedeutet, dass die Patente zu den 10 Prozent aller Patente, die am bedeutsamsten sind, gehören. Dieser Indikator ist wichtig für die Innovationskraft eines Landes und dessen Wohlstand.

Die Bertelsmann Stiftung, welche sich auf Patente innerhalb 58 besonders relevanter Zukunftstechnologien konzentriert, geht davon aus, dass die USA und China ihre Führungspositionen darin massiv ausbauen werden. Europa und die Schweiz werden entsprechend immer bedeutungsloser, da sie geringe Anteile bei Weltklassepatenten im Bereich Digitalisierung aufweisen. Die Einhörner – Startup-Firmen mit einer vorbörslichen Bewertung von über einer Milliarde Franken – entstehen also nicht in der Schweiz.

Evolution statt Revolution

Was führt zu nachhaltigem Erfolg: die Ausschöpfung vorhandener Ressourcen und Wissen (Exploitation) oder die Entwicklung neuer Produkte und die Erschliessung neuer Märkte (Exploration)? Diese Frage ist in Wissenschaft und Praxis seit Jahrzehnten ein Dauerthema. Lohnt es sich, in vorhandene Strukturen und traditionelle Geschäftsmodelle zu investieren oder ist es besser, etwas Neues zu beginnen?

Beides kann zielführend sein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Unternehmen ständig und in immer kürzeren Zeitabständen nach neuen Wegen suchen müssen, um Kundenmehrwert zu generieren. Dabei ist es egal, ob es sich um ein B2B, B2C oder B2B2C Marketingmodell handelt. Denn der Kunde (Unternehmung oder Privatperson) kauft nicht das Produkt oder die Dienstleistung, sondern dessen Nutzen.

Unsere nicht-repräsentative Umfrage hat ergeben, dass zwei Drittel der Teilnehmer inkrementelle Innovationen, also die Verbesserung an bestehenden Produkten und Dienstleistungen, als wichtig und sehr wichtig in ihrer Unternehmung erachten. Gleiches gilt bei Ergänzungen und Erweiterungen von Bestehendem, den sogenannten additiven Innovationen. Disruptive Innovationen, welche bestehendes ablösen, schätzen nur ein Drittel als wichtig und sehr wichtig ein (siehe Balkendiagramm).

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Schweizer Unternehmer bevorzugen eher Evolutionen, anstelle radikaler Basisinnovationen. Optimierungen und Effizienzsteigerungen sind zwar wichtig für jede Organisation. Parallel dazu sollten aber bestehende Geschäftsmodelle zukunftsfähig gemacht werden. Denn die nächste Generation Kunden verlangt neue digitale Services. Ob diese von einer traditionellen Schweizer Unternehmung kommen oder von einer Tech-Firma aus den USA oder über eine E-Commerce Plattform aus Asien bezogen werden, wird sich zeigen. Wir sollten uns auf Disruptionen und radikale Innovationen vorbereiten. Denn die digitale Transformation kommt in etlichen Branchen eher einer Revolution gleich!

Bei der Frage nach der Form der Innovation sehen 30 Prozent Dienstleistungs-Innovationen, vor Prozess-Innovationen (25 Prozent) als am wichtigsten. Geschäftsmodell-Innovationen haben nur bei 11 Prozent der Befragten eine sehr hohe Bedeutung. Der grösste Innovationsbedarf wurde im Vertrieb ausgemacht, gefolgt von Unternehmensführung und Mitarbeiterentwicklung und Weiterbildung (siehe Kuchendiagramm).

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Agiles Innovationsmanagement

Mit dem Corona-Lockdown haben wir erlebt, dass etablierte Lösungen plötzlich nicht mehr nachgefragt werden. Kundenbedürfnisse veränderten sich über Nacht und verlangten neue Produkte und Dienstleistungen. Wissen und Management-Prinzipien müssen sich schnellstmöglich anpassen, um den neuen Spielregeln des Wettbewerbs gerecht zu werden.

Basierend auf unseren Umfrageergebnissen sind agiles Innovationsmanagement, Geschäftsmodell-Innovationen und Co-Creation, Themengebiete, wo sich Firmen mehr Information und Wissen wünschen. Unterstützung in den Bereichen IoT, Cloud Computing, Künstliche Intelligenz, Big Data oder Blockchain werden dagegen weniger verlangt. Technologie scheint also nicht der Hauptreiber für fehlende Innovationsvorhaben zu sein.

Vielmehr sind es mangelnde Veränderungsbereitschaft und Management-Commitment, welche Innovationen hemmen. Obwohl bei den Nennungen keine eindeutige Tendenz ausgemacht werden konnte, scheinen ineffiziente oder fehlende Innovationprozesse, Zeitmangel und finanzielle Mittel ausschlaggebend für die gebremste Innovationskraft von Schweizer Unternehmen zu sein. Ideen sind demnach vorhanden; das Problem ist die Umsetzung der Innovationen zu einer effektiven Marktleistung.

Mit einem neuen Mindset die Zukunft gestalten

Innovationen haben strategische Priorität und beeinflussen sämtliche Bereiche der Organisation und deren Umsysteme. Die digitale Transformation hat erst begonnen und wird weiterhin grosse Investitionen in Technologie, Prozesse und Menschen auslösen. Dies hat einen gravierenden Einfluss auf Politik, Wirtschaft, Gesellschaft aber auch auf die Unternehmensführung. In einem immer dynamischeren und komplexeren Umfeld gewinnen Offenheit, Partizipation und Kollaboration  an Bedeutung. Hierarchische Organisationsformen weichen Netzwerken, wo Kontrolle zu Empowering wird und sich Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen fortsetzt.

Auch die langfristige Planung ist nicht mehr zeitgemäss; Experimentieren, Lean, Agile und Scrum sind die aktuellen Ansätze zur Umsetzung von innovativen Ideen. Auch wenn ICT-Skills zukunftsweisende Kompetenzen bleiben, suchen swissICT Mitglieder Unterstützung für die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen und deren Zusammenführung in Ecosystemen.

Unser Beitrag

Basierend auf den Wünschen der swissICT Mitglieder veröffentlicht die Fachgruppe Innovation bis Ende Jahr eine Blogserie. Darin geht es um die kritische Betrachtung von relevanten Themen, Wissensvermittlung und Anwendungsbeispielen rund um die aus der Umfrage entstandenen Schwerpunktthemen.

Uns geht es nicht darum, alles was möglich ist zu digitalisieren, sondern festzustellen, wo die Grenzen der vielen Trends liegen und welche Innovationen, Unternehmen mit welchen Methoden nutzen sollten, um zielführend Kundenmehrwert zu generieren.

Wir sind an der Entwicklung eines Innovation-Checkups und planen einen ersten Event zu Innovationsthemen im ersten Quartal 2021. Falls Sie Ideen zu Angebot oder Format haben oder bei der Förderung von digitalen Innovationen einen Beitrag leisten möchten, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

 

Bild: Lean, Agile & Scrum Konferenz 2017, Foto: Jonas Weibel

Autor: Dr. Daniel Fasnacht ist ein Vordenker von Open Innovation und Ecosystemen, Buchautor von dem bei Springer erschienenem Buch «Open Innovation Ecosystems», Dozent an Fachhochschulen und Universitäten und Verfasser zahlreicher Artikel. Er ist CEO und Gründer der EcosystemPartners AG und leitet bei swissICT die Fachgruppe Innovation.

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