25. August 2021
«Wer fürs Geld kommt, der geht auch wieder fürs Geld»
Es freut mich sehr, dass wir heute die Chance haben, mit dir über die Salärstudie sprechen zu dürfen. Wer bist du?
Nicole Kaeser Mirata: Gerne. Mein Name ist Nicole Kaeser Mirata, ich wohne in Freiburg, bin Betriebsökonomin, bilingue und arbeite seit dem 1. März 2005 bei der Mobiliar. Davor war ich rund 10 Jahre beim Bundesamt für Gesundheit tätig, als Leiterin der Personalentwicklung. In der Mobiliar hatte ich verschiedene Funktionen inne. Seit rund 10 Jahren bin ich zuständig für Vergütungsfragen, das Funktionssystem und HR-Projekte.
Die Mobiliar nimmt schon lange an der swissICT Salärstudie teil. Kannst du aus dem Nähkästchen plaudern?
Ja, wir sind schon sehr lange dabei. Mein Vorgänger war, soweit ich weiss, bereits bei der Gründung der Arbeitsgruppe Saläre der ICT dabei. Ich bin seit 2005 Mitglied der Arbeitsgruppe. Die Zusammensetzung hat sich über die Jahre nicht sehr stark verändert. Wir sind viele langjährige Mitglieder und dadurch auch sehr gut untereinander vernetzt und geniessen grosses gegenseitiges Vertrauen. Der gegenseitige Austausch ist offen und das ist für mich der Mehrwert, in dieser Arbeitsgruppe mitzuarbeiten.
Was konkret macht das Engagement interessant?
Es ist wichtig, mich mit anderen grösseren Firmen, die auch eine grössere IT haben, regelmässig auszutauschen. In der Arbeitsgruppe sind nicht nur Vertreter von Versicherungsgesellschaften engagiert, sondern aus verschiedensten Branchen wie Banken, Transport oder Telekommunikation.
Unter den grösseren IT-Firmen und solchen mit vielen IT-Mitarbeitenden wechseln ja auch hin und wieder Leute von der einen zur anderen Firma. Da ist es spannend zu sehen, was die Issues der anderen Firmen sind und wo sie in der Entwicklung stehen. Die Salärfrage ist da auch immer ein zentraler Punkt.
Was genau zieht die Mobiliar für einen Mehrwert aus der Salärstudie?
Für mich ist es sehr wichtig zu sehen, wo wir im Markt stehen. Da bietet die Salärstudie eine breite Sicht – auch über «meine» Welt der grossen Unternehmen hinaus. Aufgrund der Anzahl Nennungen sehen wir, wie sich kleinere Unternehmen oder bestimmte Berufsgruppen entwickeln.
Ist es aus Sicht eines Teilnehmers aufwendig, an der Studie teilzunehmen?
Wir nehmen bereits seit vielen Jahren an der Salärstudie teil und haben unsere Systeme auf solche Auswertungen ausgelegt. Somit ist der Aufwand für uns nicht mehr so gross.
Ich mag mich aber erinnern, dass der Aufwand in den ersten Jahren etwas grösser war. Da musste man halt alles immer wieder neu «matchen». In der Zwischenzeit hat sich das bei uns gut eingespielt. Im Vorfeld schaue ich immer wieder mit der IT, ob es neue Funktionen gibt oder ob wir etwas Neues haben, was wir der swissICT-Landschaft zuordnen müssen. Das hat sich in den letzten drei bis vier Jahren sehr stark in Richtung agile Rollen bewegt. Dort haben wir im Moment ein Issue, weil wir nicht mehr wie früher 1:1 die Funktionen mit den Berufsbildern «matchen» können. Da sind wir auch mit euch von swissICT dabei, Lösungen zu suchen.
Das verstehe ich. Diese Themen werden in der Arbeitsgruppe adressiert. Hast du einen Tipp für Unternehmen, die es sich gerade überlegen, neu teilzunehmen? Was ist zu Beginn am wichtigsten?
Das Zuordnen der Berufsprofile ist die grösste Herausforderung. Vielleicht wäre eine Matching-Übersetzungstabelle für neue Teilnehmer wertvoll. Dass man zum Beispiel sagt, dass ein Applikationsentwickler, auch wenn er in der Safe-Umgebung arbeitet, dem Profil Applikationsentwickler zugeordnet wird.
Dann gibt es auch viele firmeneigene Bezeichnungen. Die Verantwortlichen müssen die Beschriebe sehr genau anschauen und mit der IT zusammen bestimmen, wo man das eine oder andere Profil «hinmatchen» könnte.
Bezieht sich das auch auf die Kompetenzstufen? Aus meiner Erfahrung gibt es da regelmässig Unklarheiten. Was empfiehlst du?
Da haben wir auch intern immer wieder Diskussionen. Wir haben ein mehrstufiges internes System und das passt nicht immer 1:1 auf die swissICT Profile. Ich denke, da ist es wirklich wichtig, dass die Leute aus dem HR, die auch das Matching machen, das auch mit den Fachleuten abstimmen. Sind es wirklich Juniors? Oder sind es Leute, die schon mehrere Jahre in diesem Bereich tätig sind?
Gerade bei der «Junior-Geschichte» ist es immer sehr schwierig. Wie argumentiert man, dass ein 42-Jähriger plötzlich wieder ein «Junior» ist? Bei uns kann das vorkommen, wenn er das Fachgebiet wechselt und dann im neuen Bereich noch keine Erfahrung hat und somit auf der ersten Stufe ist. Das kann dann schon zu Verwirrung führen.
In dieser «Junior-Frage» haben wir tatsächlich auch immer wieder Rückfragen.
Wir handhaben es so, dass wir nicht die Berufserfahrung allgemein meinen, sondern die Berufserfahrung in diesem Gebiet. Das macht sehr schnell einen Unterschied. Ein Quereinsteiger mit 10 bis 15 Jahren Berufserfahrung, aber nicht auf dem entsprechenden Gebiet, ist halt wirklich ein Einsteiger. Letztlich geht es auch um die Frage der Entlöhnung. Vergütet man die Aktivität in der IT oder berücksichtigt man die gesamte Berufserfahrung? Es gibt mehrere Ansätze, die man verfolgen kann.
Wie wichtig ist das Salär für die Rekrutierung bei der Mobiliar? Was sind da die Trends?
Bei der Rekrutierung ist der Lohn ein wichtiger Bestandteil. Aber es ist nicht der einzige wichtige Aspekt. Der Inhalt der Arbeit ist zentral. Auch das Team und die oder der künftige Vorgesetzte sind bei uns immer wieder ein Thema.
In den letzten Jahren haben wir vermehrt ein Bedürfnis festgestellt, ortsunabhängig arbeiten zu können. Da sind wir gut aufgestellt. Diese Flexibilität, dass man die Arbeitszeit selbst einteilen kann, nicht täglich von 9 bis 17 Uhr ins Büro kommen sowie ein- und ausstempeln muss. Das kommt vor allem bei den IT-Mitarbeitenden sehr gut an.
Mit Corona hat sich diese Entwicklung sicher nochmal beschleunigt. In der ICT-Branche ist auch der Fachkräftemangel ein Dauerthema. Wie erlebt das die Mobiliar?
Den Fachkräftemangel spüren auch wir. Wir können nicht mehr nur klassisch rekrutieren. Da ist es wichtig, andere Wege zu gehen. Dazu kommen die ganzen digitalen Möglichkeiten. Das CV-Parsing zum Beispiel und auch Active Sourcing über die Netzwerke. Die Salärstudie unterstützt uns darin, bei den Salären auf einem guten Marktniveau zu sein. Der Lohn sollte aber nicht der entscheidende Faktor sein. Wer fürs Geld kommt, der geht auch wieder fürs Geld. Das hat mir mal ein früherer Chef gesagt und ich glaube, das stimmt. Deshalb ist es wichtig, dass das ganze Umfeld und der Arbeitsinhalt stimmen. Unsere Mitarbeitenden sind auch unsere Botschafter und letztlich auch unsere ersten Rekrutierer. All das ist wichtig, um neue Mitarbeitende anzuziehen.
Die soziale Struktur und die interessanten Inhalte haben an Wichtigkeit gewonnen?
Das ist wichtig, das Salär auch. Aber wenn das ganze Umfeld nicht stimmt, das Team, der Vorgesetzte, die Arbeit und die Arbeitsmöglichkeiten – sei das Infrastruktur oder Zeitmanagement -, wird der Lohn sehr schnell zweitrangig.
Welche Profile sind besonders schwierig zu rekrutieren? Was ist da deine Erfahrung?
Die Agilität ist eine Herausforderung. Das heisst die Softwareentwickler, die Analysten-Funktionen, Cloud-Transformation-Fachleute, Security-Spezialisten aber auch die SAP-Profis. Das sind im Moment ganz grosse Themen in der IT. Da kämpfen wir alle mit den gleichen Herausforderungen.
Dieser Mangel besteht nicht erst seit gestern, da ist der Markt schön länger eher trocken. Da reisst man sich die Besten ab und zu ein bisschen aus den Händen. Das wird sich so schnell nicht ändern. Das ist auch eine Botschaft an die Studierenden in diesen Bereichen: Ihr werdet gute Chancen haben auf dem Arbeitsmarkt!
In der Salärstudie werden auch die Regionen ausgewiesen und die Anzahl der Nennungen der Unternehmungen in den jeweiligen Gebieten, welche teilgenommen haben. Gibt das zusätzliche Hinweise zu der Lohnthematik?
Ich schaue mir das jeweils schon auch an. Aber in Zeiten von Home-Office usw. ist die regionale Auswertung nicht mehr so zentral. Wir haben Mitarbeitende aus allen Regionen der Schweiz, da ist die interne Lohngerechtigkeit wichtig.
Daher schaue ich eher auf die Grösse der Firmen und weniger darauf, wo die Leute herkommen. Da haben wir auf dem Platz Bern ein paar wichtige Referenzfirmen.
Sehr spannend. Vielen Dank für das Gespräch!