2. Oktober 2020

Who cares

«Who cares» titelte inside-IT vor über zehn Jahren einen kritischen Artikel zum Thema ICT-Verbände. Anlass war die am 19. März 2009 gescheiterte Fusion von swissICT, SI und ICTswitzerland zu einem grösseren und schlagkräftigen Einheitsverband.
Meinung

Gegen die Fusion waren damals ein paar Mitglieder der SI aus der Welschschweiz und die asut bei ICTswitzerland. Es folgte eine kurze Phase des Wundenleckens, bevor sich die Branche nochmals einen Ruck gab und versuchte, zumindest den Sinn und Geist dieser Fusion am Leben zu erhalten. Ursprünglich als reiner Verband der Verbände gegründet, haben wir entschieden, den Dachverband auch für Firmenmitglieder zu öffnen. Dazu gehörten Vertreter der Bankenwelt, grosse internationale Unternehmen und Vertreter des schweizerischen IT-Mittelstandes. Diese heterogene Gruppe von Unternehmen hat sich auf zwei Schwerpunkte konzentriert: die Förderung des Exports von ICT-Produkten und -Dienstleistungen und vor allen Dingen den Ausbau der ICT-Berufsbildung. Letzteres war das verbindende und unbestrittene Thema für alle Beteiligten.

Dank grosszügiger Unterstützung von Credit Suisse und später der Swisscom im Umfang von mehreren Millionen Franken konnte dieses – bis dahin von swissICT verantwortete – Thema erfolgreich neu besetzt, auf und ausgebaut werden. Die Branche hat begonnen, Verantwortung zu übernehmen.

Während die IT-Funktionen in den grossen Unternehmen, zusammen mit ihren Lieferanten und Dienstleistern, zwar eine wichtige, aber letztlich selten strategische Rolle spielten, begannen die digitalen Geschäftsmodelle an Fahrt aufzunehmen. Viele Ideen und Geschäftsmodelle waren zwar schon in der Zeit der Internetbubble im Jahr 2000 ein erstes Mal en vogue, aber erst dank Breitbandinternet und Smartphones begann der endgültige Siegeszug des Internets. Jetzt wurde jedermann klar, dass Technologie
in Zukunft Teil jeder Unternehmensstrategie sein muss. Unsere Themen wurden salon- oder besser – boardroomfähig.

Dass die zum Teil wenig glamourösen oder gar negativ besetzten Begriffe wie IT, ICT oder Informatik hier nicht passten, war klar. Es konnten auch nicht die IT-Leiter, die als Teile des Backoffice oder der Finanzen auf der zweiten Führungsebene angesiedelt waren, sein, die jetzt plötzlich Strategien entwickeln konnten. Chief Digital Officers mussten her. Die Geschäftsleitungen und CEOs nahmen sich des Themas an.

Einer dieser CEOs, Marc Walder, machte aber nicht an seinen Unternehmensgrenzen halt, sondern wollte erst nur Zürich, dann die ganze Schweiz digital wachrütteln. Umtriebig, vernetzt und mit der Vision einer digitalen Schweiz im Gepäck, die sich im internationalen Wettbewerb durchsetzen kann, brachte er CEOs aus fast allen Indus­trien dazu, sich für seine Idee zu engagieren. Die Standortinitiative «digitalswitzerland» war geboren.

Mit den nötigen Mitteln und einem ausgezeichneten Netzwerk ausgestattet, schaffte es digitalswitzerland in kürzester Zeit, national bekannt zu werden. Präsenz in der Tagespresse, öffentliche Veranstaltungen, die sich nicht an Informatiker, sondern an die breite Öffentlichkeit richteten, Auftritte von Behörden und hochrangigen Politikern, die sich für Technologie-getriebene Themen engagierten, wurden zum neuen Standard. Den ICT-Verbänden blieb nur staunendes Applaudieren.

Doch auch ein solches Feuerwerk kann allein nicht ewig dauern. Denn wollen wir die Vision der digitalen und erfolgreichen Schweiz Realität werden lassen, dann muss – oft auch im Hintergrund – viel gearbeitet werden. Die Ausbildung und das lebenslange Lernen sind und bleiben die Basis der digitalen Wissensgesellschaft. Nur Unternehmertum schafft Arbeitsplätze. Politische, ethische und soziale Herausforderungen der Digitalisierung müssen angepackt, Bedrohungen für die nationale Sicherheit bekämpft werden. Auch müssen wir nicht nur die Gewinner der Digitalisierung feiern, sondern auch an die Verlierer denken.

Alles Dinge, um die sich unsere ­Industrie und deren Verbände seit Jahrzehnten kümmern. Was liegt da näher, als die Idee aus dem Jahr 2009 wieder aufzunehmen und Kräfte zu bündeln? Genau dies wollen wir tun. Deshalb haben sich der Dachverband ICTswitzerland und die Standortinitiative digitalswitzerland entschieden, zu fusio­nieren. Als ewiger Verfechter der Konsolidierung in der Schweizer Verbandslandschaft kann ich dies nur unterstützen, und ich wünsche mir, dass diesmal alle an einem Strang ziehen und das grosse Ganze vor die eigenen Partikularinteressen stellen werden.

Denn: «We care.»

Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat (darunter Verwaltungsratspräsident der SwissSign Group, welche die SwissID herausgibt)

(Diese Kolumne «Seitenblick», die hier aus aktuellem Anlass vorab publiziert wird, erscheint im swissICT Mitgliedermagazin vom 15. Oktober 2020 und muss nicht die Meinung von swissICT wiedergeben.)

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