12. August 2019

Wie Meinung gemacht wird

Hochsommerliche Temperaturen machen Lust auf eine Abkühlung im kühlen Nass. Mit der Hitze liess auch in diesem Jahr das viel zitierte mediale Sommerloch nicht auf sich warten. Und dies wird leider allzu oft genutzt, um Themen reisserisch und nicht zu selten an der Grenze der Wahrheit breitzutreten.
Meinung

Seitenblick

Nicht immer geht es dabei nur um Stars und Sternchen, Berichte aus der Badi oder den neusten skurrilen Weltrekord. Manchmal sind es auch sehr ernste Themen, die als «clickbait» missbraucht werden. Typisch für den Clickbait ist eine Überschrift oder ein Teaser, der den Leser dazu verleitet, auf den entsprechenden Link zu klicken, wobei der letztlich präsentierte Inhalt meist wesentlich weniger spektakulär, erschreckend oder kontrovers ist als suggeriert. Ein Clickbait alleine macht keine Meinung, sondern erzeugt Traffic auf Webseiten oder macht Dienstleistungen und Produkte bekannt.

Meinung wird aber gemacht, indem online oder auch im Print tendenziöse Aussagen publiziert werden, die implizit «fake news» enthalten. Ich stelle zum Beispiel die politische Forderung in den Raum, dass Mörder in der Schweiz in Zukunft hart bestraft werden sollen. Oder dass wir eine Verfassung brauchen, die das Recht auf Meinungsäusserung schützt. Damit impliziere ich, dass wir ein ungenügendes Strafgesetz hätten oder dass die Meinungsäusserung in der Schweiz kein Grundrecht sei. Wir alle wissen, dass dies nicht der Fall ist.

Wenn es aber um neue Themen oder Gesetze geht, sieht die Sache anders aus. Kaum ein Bürger weiss genau, was das BÜPF, das DSG oder das E-ID-Gesetz genau beinhalten und bedeuten. Das Wissen darüber ist bescheiden, man hat sich noch keine Meinung gebildet und das Interesse dafür war bei den meisten Bürgern mässig. Diese Themen eignen sich hervorragend für die Vermarktung falscher Aussagen, eigener Dienstleistungen und Produkte, da die wenigsten von uns die wirklichen Tatsachen kennen und Meinungen noch nicht gemacht sind. Sehr schön lassen sich diese Effekte an der Debatte rund um die E-ID, ein Werkzeug, das Logins auf Webseiten vereinfachen, das Surfen sicherer machen und das Vertrauen dank bekannter Identitäten im Internet erhöhen will, zeigen. Herausgegeben wird die E-ID vom Staat und umgesetzt wird sie von privaten, zertifizierten Betreibern. Die Rahmenbedingungen dazu sind im gleichnamigen Gesetz geregelt, das vom National- und Ständerat mit grosser Mehrheit angenommen worden ist.

Private Betreiber von Lobbying-Plattformen suggerieren nun aber, dass dem nicht so sei. In grossen Lettern wird geschrieben: «Wir brauchen keinen digitalen Pass von der UBS, Swisscom…» – und der Besucher der Website wird aufgefordert, den nationalen Parlamentariern vorgefertigte E-Mails, mit Botschaften wie «Ich will meine digitale Identität nicht mit meinen Daten bezahlen», zu senden. Die Tatsache, dass die E-ID Gesetzgebung genau dies zum Ziel hat und dem Schweizer Bürger eine sichere und vertrauenswürdige Alternative zu Facebook et al. bieten möchte, wird damit karikiert und verdreht. Dass die Plattform, die solche Botschaften verbreitet, von denselben Leuten ins Leben gerufen wurde, die ihr Geld mit dem Durchführen von Referenden verdienen, lässt mich die lautere politische Meinung zumindest hinterfragen.

Aber auch die von mir sehr respektierte NZZ lässt es sich nicht nehmen, einen Artikel mit der Überschrift «Ständerat lehnt staatliche E-ID ebenfalls ab» zu überschreiben. Dieser wurde anlässlich des Entscheides im Ständerat, das E-ID-Gesetz anzunehmen, publiziert. Sachlich richtiger wäre wohl gewesen: «Ständerat befürwortet mit grossem Mehr die Gesetzesvorlage und damit die Aufgabenteilung von Staat und Privatwirtschaft».

Das Internet und die Digitalisierung haben viele positive Eigenschaften. Zuallererst sicher die drastische Reduktion von Vertriebskosten für Information und damit das Aufbrechen von Machtmonopolen in der Informationsverbreitung und Meinungsbildung. Jeder kann heute seine Meinung sagen und wird gehört – und dies nicht nur am Stammtisch. Leider unterscheiden sich die verbreiteten Botschaften dabei nur unwesentlich vom Gepolter am Stammtisch.

Ich wünsche mir deshalb, dass zumindest die journalistische Ethik und Qualität nicht unter dem Druck nach Kommerzialisierung unter die Räder kommt. Denn gerne würde ich den etablierten Schweizer Medien auch weiterhin vertrauen können.

Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat (darunter Verwaltungsratspräsident der SwissSign Group, welche die SwissID herausgibt)

(Diese Kolumne «Seitenblick» erschien erstmals im swissICT Mitgliedermagazin vom August 2019 und muss nicht die Meinung von swissICT wiedergeben.)

Mit Ihrem Besuch auf unserer Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung und der Verwendung von Cookies zu. Dies erlaubt uns unsere Services weiter für Sie zu verbessern. Datenschutzerklärung

OK