24. Mai 2023

Verhaltensmuster zur Dialogoptimierung

Die Interaktion mit Chatbots kann frustrierend sein. Um das zu vermeiden, sollte der Chatbot mit menschlichem Entscheidungsverhalten vertraut sein. Am INNOtalk #3 hat Yvo Richner (elaboratum) über Verhaltensmustern als Grundlage für die erfolgreiche Interaktion zwischen Nutzer:innen und Chabots gesprochen.

 

Gerade aus der Anfangszeit der Chatbots kennen wir alle noch die Gespräche mit den technischen Gesprächspartnern, welche wir irgendwann entnervt abgebrochen haben, als wir zum dritten oder vierten Mal «Es tut mir leid, ich verstehe Ihr Anliegen nicht. Bitte versuchen Sie es erneut.» als Antwort erhielten. Wie sich solche für beide Seiten frustrierenden Erlebnisse vermeiden lassen, stellte uns Yvo Richner (elaboratum) in unserem INNOtalk #3 am 19. April 2023 vor. Verhaltensmuster heisst das Zauberwort für einen gelungenen Dialog zwischen Nutzer und Chatbot.

Verhaltensmuster als Grundlage

Fehler in der Navigation auf einer Webseite nerven zwar alle Besucher, aber häufig findet sich der gewünschte Content dann doch noch über ein oder zwei zusätzliche Klicks. Ein Chatbot ist da weniger fehlertolerant. Es gibt nur den einen offenen Dialog mit dem Nutzer. Und wenn dieser Dialog in eine kommunikative Sackgasse führt, dann bricht er ohne Chance auf Wiederaufnahme ab.

Der Chatbot sollte das Gespräch also so führen, dass er erst gar nicht in solche (Gesprächs-)Situationen hineingerät. Der Schlüssel dazu ist die Erkenntnis/das Verständnis, wie der Mensch Entscheidungen trifft. Die wenigsten Entscheidungen sind das Ergebnis eines klassischen Entscheidungsprozesses (mit Bedarfsermittlung, Entwicklung von Handlungsoptionen, Bewertung und Auswahl). Das trifft allenfalls auf rund 5 Prozent der etwa 20’000 Entscheidungen (Auffenberg, Homo Optionis) zu, die ein Mensch am Tag trifft. In den meisten Fällen entscheidet der Mensch intuitiv auf Basis von Plausibilitäten gemäss dem Ententest: «Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es (wahrscheinlich) eine Ente.» (Wikipedia, Ententest). Diesem Entscheidungsverhalten liegen bestimmte Verhaltensmuster zu Grunde. Wenn der Chatbot es schafft, den Dialog mit dem Nutzer so zu gestalten, dass diese Verhaltensmuster angesprochen werden, dann hat er auch gute Chancen diesen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Verhaltensmuster in der Anwendung

Nun sind diese Verhaltensmuster aber ausreichend erforscht. In (Spreer, PsyConversion®) beispielsweise sind über 100 Verhaltensmuster beschrieben, mit denen sich etwa 95 Prozent des Kundenverhaltens im Digitalkontext erklären lassen.

Eines dieser Verhaltensmuster nennt sich Liking. Beim Liking wird der Nutzer in seinen Entscheidungen bestärkt («Gute Wahl!»). Dadurch wirkt der Chatbot sympathisch, und von sympathischen Gesprächspartnern lassen wir uns eher überzeugen. Wir sind also eher bereit den Empfehlungen und Vorschlägen des Chatbots zu folgen.

Verhaltensmuster lassen sich auch kombinieren, beispielsweise Anchoring und Bandwagon Effect. Anchoring besagt, dass ein einmal geäusserter Zahlenwert als Referenz für nachfolgende Vergleiche herangezogen wird. Dies kann man sich zum Beispiel bei Versicherungen zu Nutzen machen. Im Vergleich zur Versicherungssumme in Höhe von mehreren Millionen Franken, klingt jede Versicherungsprämie bescheiden, auch wenn sie 2000 Franken pro Jahr beträgt. Der Bandwagon-Effekt wiederum besagt, dass wir uns wohler fühlen, wenn wir uns in Gesellschaft wähnen. Werden diese beiden Verhaltensmuster kombiniert, könnte sich dann ein Dialog wie folgt gestalten.

In Studien und Vorher-Nachher-Vergleichen wurde belegt, dass die konsequente Abstimmung auf Verhaltensmuster nicht nur graue Theorie ist, sondern in der Praxis auch zu den gewünschten Effekten führt.

Verhaltensmuster und Large Language Models

In einer ersten Vermutung könnte man nun zu dem Schluss kommen, dass sich dieses Wissen zur Steuerung eines Chatbot-Dialogs mit einem LLM (Large Language Model aka ChatGPT) erübrigt hat. Aber die LLMs haben dahingehend noch einige Limitationen. Zum einen vervollständigt ein LLM lediglich angefangene Sätze auf Basis von Wahrscheinlichkeiten. Geschäftsziele sind daher nicht Teil der Lösung. Und zum anderen ist es oft unklar, wie sich die Persona definiert, welche man dem LLM vergeben kann, damit es eine entsprechende Rolle einnimmt. Und zuletzt ist es auch möglich, dass LLMs Inhalte halluzinieren. Insbesondere im Unternehmenskontext ist daher ein unkontrollierter Einsatz von LLMs unerwünscht.

Eine Lösung besteht darin, dass das LLM ergänzend zu einem existierenden Conversational Interface, welches als Dialog Manager dient, angebunden wird. Das LLM wird dann in einem ersten Schritt dazu eingesetzt, die Inhalte einer Anfrage zu erkennen und zu strukturieren. Diese strukturierten Daten werden dann einerseits an das Conversational Interface zur Administration des Kontextes der Anfrage weitergeleitet, mit welchem Instruktionen generiert werden können. Und andererseits dazu genutzt, um aus angebundenen Datenbanken die Inhalte für die Antwort zu extrahieren. Im nächsten Schritt werden diese Daten dann wieder an das LLM zur Formulierung der Antwort übergeben. Diese Antwort geht zurück an das Conversational Interface zur Prüfung und zur Ausgabe an den Nutzer.

(Vereinfachte Darstellung in Anlehnung an Yvo Richner, elaboratum)

Bei dieser Implementierung werden die Kenntnisse zu Verhaltensmustern nicht mehr unmittelbar im Conversation Design durch vorgefertigte Antworten eingesetzt. Sie werden vielmehr dazu genutzt um die Antwortgenerierung der LLMs zu steuern. Sie finden damit praktisch auf einer Metaebene Anwendung und erlauben, die Limitationen der LLMs gezielt zu mitigieren.

Literaturverzeichnis

Lisa Auffenberg: Homo Optionis; in Psychologie Heute; https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/40555-homo-optionis.html (2020), zugegriffen am 01.05.2023

Wikipedia: Ententest; https://de.wikipedia.org/wiki/Ententest; zugegriffen am 28.04.2023

Philipp Spreer: PsyConversion®; 117 Behavior Patterns für eine noch bessere User Experience und höhere Conversion-Rate im E-Commerce (2021)

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