2. Februar 2023
«Die ICT-Salärstudie ist ein Benchmark für die Schweiz»
Die Salärstudie von swissICT wird seit 1981 erhoben und liefert heute wichtige Referenzwerte bei der Festlegung von Löhnen in der Branche. Christian Cascetta und Raphael Ineichen, zwei Vertreter der Fachgruppe Talent Acquisition von swissICT, sprechen im Interview über ihre Erfahrungen mit der Studie und bei der Suche von IT-Fachkräften.
Nehmen Sie jetzt an der swissICT Salärstudie 2023 teil.
Herr Ineichen, wann sind Sie ein erstes Mal mit der Salärstudie von swissICT in Kontakt gekommen?
Raphael Ineichen (RI): Meine Kunden fragen regelmässig, ob sie sich mit ihren Gehältern in einer vernünftigen Grössenordnung bewegen. Ich kann dann spekulieren und sagen, für einen Mitarbeiter mit diesem Profil liegt in Zürich der Lohn-Range ungefähr bei diesem oder jenem Betrag. Das sind dann aber einfach meine persönlichen Erfahrungswerte. Für eine fundierte Antwort auf solche Fragen nutze ich die ICT-Salärstudie. Sie ist heute ein Benchmark für die Schweiz.
Wie war das bei Ihnen, Herr Cascetta?
Christian Cascetta (CC): Die Salärstudie von swissICT geniesst sehr hohe mediale Aufmerksamkeit. Ich erhalte über die Newsticker von IT-Reseller oder Netzwoche regelmässig Informationen über die Studie. Ich informiere mich auch sonst, wie sich die Saläre entwickeln und wie das mit den Erfahrungen übereinstimmt, die wir im Tagesgeschäft machen. Das finde ich immer sehr spannend.
Wie relevant ist das Thema Entlöhnung bei der Rekrutierung von ICT-Fachkräften?
CC: Es ist sehr relevant. Im heutigen Markt suchen potenziellen Kandidaten oder Kandidatinnen auch stets die Möglichkeit, sich beim Salär zu verbessern. Daher kommt der Lohn meist schnell zur Sprache. Wir stellen aber fest, dass je höher die Saläre sind, je höher die Positionen angesiedelt sind, umso weniger steht das effektive Salär im Vordergrund. In absoluten Zahlen ausgedrückt, würde ich sagen, ab 150’000 Franken wird nicht mehr so intensiv oder bereits am Anfang des Bewerbungsprozessen über das Salär gesprochen. Unter 100’000 Franken ist die Bedeutung des Salärs hingegen gross. Dort sind auch kleine Entwicklungsschritte in prozentualer Hinsicht grosse Schritte.
RI: Ich kann mich dem anschliessen. Insbesondere bei Talenten, die noch nicht so lange im Arbeitsleben sind, ist der Lohn überproportional wichtig.
Wie hat sich die Salär-Thematik grundsätzlich im Arbeitsmarkt entwickelt?
RI: Meine Wahrnehmung ist, dass die Unternehmen merken, dass es immer schwieriger wird, Leute zu finden. Wenn es dann aber darum geht, sich beim Thema Salär zu bewegen, beisst man bei ihnen oft auf Granit. Natürlich sind Gehaltskosten wichtige Ausgabeposten in einer Firma. Ich stelle aber fest, dass es bei vielen Arbeitgebern sehr oft wenig Spielraum gibt. Zumindest bei kleinen bis mittleren Unternehmen. Bei den grossen spielt das Salär in der Regel keine Rolle.
CC: Ich sehe das ähnlich wie Raphael. Ich glaube, die Herausforderung, insbesondere für kleinere Unternehmen, ist die Situation, dass man bereits Mitarbeiter hat, die vielleicht zu nicht so attraktiven Salären engagiert sind. Wie rechtfertige ich nun gegenüber den bestehenden Mitarbeitern, dass ein neuer Mitarbeiter 10, 15 oder 20 Prozent mehr verdient? Das ist eine grosse Herausforderung. Wie man das lösen kann, ist eine schwierige Frage. Wahrscheinlich nur, indem man auch bei den bestehenden Mitarbeitern das Salär anhebt. Ansonsten ist das Risiko gross ist, dass ich sie verliere. Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und die Chancen auf eine neue Stelle, inklusive Lohnerhöhung, sind zurzeit für alle gut. Ich glaube, dieser Tatsache müssen sich die Unternehmen stellen, um nicht auch noch ihre besten Mitarbeiter zu verlieren.
Wie sollten Arbeitgeber aus der Sicht von Rekrutierungsfachleuten die Salär-Thematik angehen, um für Fachkräfte attraktiver zu werden und um lohngerechter zu agieren?
RI: Das Thema Gehalt sollte einfach auch ein fundierter angegangen werden. Es braucht ein systematisches Gehaltsmodell, in dem man definiert, welche Salärbänder es gibt und wie man mit welchen Fähigkeiten und Erfahrungen in welches Salärband kommt. Das Gehalt darf nicht einfach aus einem Bauchgefühl des Line-Managers entstehen. Das ist nicht fundiert und führt schlussendlich zum Problem, dass es innerhalb eines Unternehmens grosse Unterschiede gibt zwischen Personen mit ähnlichen Kompetenzen. Es braucht daher ein transparentes Salärmodell, das man beiziehen kann, um den Mitarbeitern zu zeigen, wo sie mit ihrem Lohn in diesem Salärgefüge befinden, in dem sie sich bewegen. Und natürlich sollten auch die bestehenden Mitarbeiter entlang dieses Frameworks gehaltsmässig weiterentwickelt werden.
CC: Ich teile die Meinung von Raphael. Ich bin aber auch der Meinung, dass Unternehmen es bereits in den Rekrutierungsprozessen schaffen sollten, die Kandidaten und Kandidatinnen emotional an sich zu binden. Weil der Entscheid, ob sie einen Wechsel machen, nicht primär vom Salär abhängt. Es spielt definitiv eine Rolle, aber ich möchte als Kandidat oder als Kandidatin das Gefühl haben, dass ich bei meinem neuen Arbeitgeber in eine Umgebung komme, in der ich mich entfalten kann, in der ich mich wohlfühle und mit tollen Leuten zusammenarbeiten kann. Wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, dann wird in der Regel beim Salär rasch eine Lösung gefunden. Aber wenn man natürlich versucht, einen Rekrutierungsprozess schnellstmöglich durchzuziehen, wenig von sich selbst als Unternehmen preisgibt und nur den Kandidaten auf Herz und Nieren prüft, dann wird die Diskussion wesentlich mehr über das Salär geführt, da keine emotionale Bindung hergestellt wurde.
Mit welchen weiteren Themenschwerpunkten beschäftigt sich die Fachgruppe Talent Acquisition?
CC: Der Sinn und Zweck unserer Fachgruppe ist es, den swissICT-Mitgliedern Einblicke zu geben, was sich im Bereich Talent Acquisition verändert, wohin die Reise geht und was bei der Personalsuche grundsätzlich zu berücksichtigen ist, beispielsweise: Was kann ich als kleines lokales oder als grosses internationales Unternehmen tun, um meine Stellen erfolgreich zu besetzen? Solche Fragen möchten wir beantworten und unseren Mitgliedern Hintergrundinformationen liefern, damit sie ohne grossen Aufwand wichtige Aspekte der Talentsuche einfach umsetzen können.
RI: Wir wollen den Unternehmen die Perspektive der Rekrutierungsfachleute aufzeigen. Viele Unternehmen beschäftigen sich nicht vertieft mit diesem Thema. Obwohl die ganze Welt von Fachkräftemangel spricht, verhalten sie sich viele Firmen, als gäbe es das Problem nicht. Uns geht es daher auch darum, ein bisschen einen Realitycheck zu machen mit den Unternehmen und ihnen klarzumachen, wie sie sich selbst auch verändern müssen, um in dem Bereich erfolgreicher zu sein.
Das Thema des Fachkräftemangels betrifft ja auch junge Berufseinsteiger:innen. Gibt es da einen besonderen Ratschlag, den Sie an junge ICT-Fachkräfte richten würden?
CC: Ich bin der Meinung, dass man in den ersten fünf bis sieben Jahren seiner Berufstätigkeit vor allem darauf schauen sollte, dass man in einem Umfeld arbeiten kann, in welchem wirklich ein Know-how-Transfer stattfindet und ich man sich auch inhaltlich weiterentwickeln kann. Eine Karriere ist idealerweise wie ein Haus aufgebaut: auf einem stabilen Fundament. Und das baut man sich zu Beginn der Karriere auf. Danach sind die Möglichkeiten für die berufliche Weiterentwicklung sehr gross.
RI: Ich sehe das genau gleich. Neben dem Umfeld, das man sich aussucht, um sich weiterzuentwickeln, ist es auch relevant, in was für eine Firma ich gehe. Ich glaube, am Anfang der Berufskarriere ist es besonders wichtig, dass da auch bekannte Unternehmen dabei sind. Das hilft bei einer späteren Jobsuche. Auch sollte man ein bisschen Sitzfleisch beweisen und sich sagen: Okay, es ist hier zwar nicht alles Gold, was glänzt, aber ich bleibe jetzt mal drei Jahre hier. Es ist wichtig, dass man zeigt, dass man auch mal ein paar Jahre etwas durchstehen kann.
Wenn eine Fachkraft eine neue Herausforderung sucht und die Stelle wechseln möchte, worauf sollten sie achten?
CC: Die Möglichkeiten für einen Wechsel sind zurzeit immens. Das führt aber manchmal dazu, dass sich die Leute etwas überheblich werden. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man sich stets gut vorbereitet, wenn man in einen Bewerbungsprozess geht und sich Gedanken macht, ob es wirklich der nächste Schritt ist, den man machen möchte. Und nicht einfach mit möglichst vielen Unternehmen spricht und dabei kein echtes Interesse zeigt. Meine Erfahrung ist, wenn die Arbeitgeber merken, dass jemand nur mal vorbeischauen kommt, eher Zweifel entstehen, als dass man mit dieser Person in eine Vertragsverhandlung geht. Umschauen ist sicher sinnvoll und gut, aber dabei sollte man immer mit der notwendigen Vorbereitung und Respekt auftreten.
RI: Zur Vorbereitung gehört auch, dass man nicht nur einfach das Gespräch vorbereitet, sondern sich grundsätzlich fragt: Wohin will ich eigentlich? Was sind meine Entscheidungskriterien, wie soll mein nächster Job aussehen und wie soll er nicht aussehen? So erhält man ein klareres Bild. Will ich in einen Grosskonzern, will ich in ein KMU? Mit solchen Fragen steckt man seine persönlichen Rahmenbedingungen ab und kann sich dann mit diesem Kriterienkatalog erfolgreich auf die Jobsuche machen.
Das Interview wurde von Cornelia Ammon geführt.
Zu den Personen
Christian Cascetta ist seit über 20 Jahren in der IT-Rekrutierung tätig und leitet seit 2016 Skybris, eine auf die Beratung und Vermittlung von Fach- und Führungskräften in der IT spezialisierten Personalberatung mit Sitz in Zürich.
Raphael Ineichen ist Gründer der Firma Digitalent, einem Recruitment-Outsourcer, vor allem für IT-Firmen. Digitalent gibt es seit fünf Jahren und beschäftigt heute 20 Leute.
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