25. November 2020
Psychologische Sicherheit – No. 1 Erfolgsfaktor für Teams
von Ina Goller und Zuzi Hajickova, Skillsgarden
In der grossangelegten Google-Studie Aristoteles zeigte sich psychologische Sicherheit als match-entscheidender Faktor für den späteren Erfolg von Teams. Eine Atmosphäre, in der jeder sich beteiligt und nicht befürchten muss, wegen Kritik oder Hinweise auf Risiken oder Fehler gebrandmarkt zu werden, scheint wesentlicher zu sein als die Frage, welche Persönlichkeiten in einem Team aufeinandertreffen.
Trotz dieser Studienergebnisse ist psychologische Sicherheit heutzutage in vielen Organisationen Mangelware. Es scheint vielmehr vielerorts eine Epidemie des Schweigens zu geben oder bestenfalls eine massive Zurückhaltung von Meinungen und Ideen. Menschen haben Angst vor den Folgen, wenn sie das Wort ergreifen. Selbst dann wird geschwiegen, wenn das Gesagte für die Organisation von Bedeutung wäre. In einer Studie (Milliken et al., 2003) gaben 85 Prozent der Befragten an, dass sie bei mindestens einer Gelegenheit bei der Arbeit nicht das Gefühl hatten ihrem Chef gegenüber, ein wichtiges Anliegen vorbringen zu können. Schweigen scheint im Zweifelsfall die sicherere Option zu sein und wird daher zur Standardeinstellung.
Julia Rozovsky leitete die mehrjährige Studie über die Wirksamkeit von Teams bei Google. Untersucht wurden unterschiedliche Persönlichkeits-Faktoren (dazu gehörten u.a. Bildung, Hobbys, Persönlichkeitsmerkmale, biografische Hintergründe) die erklären könnten, warum einige Teams erfolgreicher waren als andere. In der Studie fanden sich dafür keine Zusammenhänge. Zur Überraschung der Studienleitung stellte sich ein anderer Faktor bei den mehr als 180 untersuchten Teams als entscheidend heraus: psychologische Sicherheit.
Wie wirkt sich psychologische Sicherheit in unserem Arbeitsalltag aus?
Viele arbeitende Menschen haben in ihrem Leben bereits einmal eine Zusammenarbeit erlebt, die von psychologischer Sicherheit geprägt war. Engagement für die Arbeit und Klarheit über die Bedeutung der eigenen Aufgabe sind u.a. Auswirkungen einer hohen psychologischen Sicherheit. Die Teammitglieder engagieren sich. Lernen wird durch dieses «mindset» gefördert sowohl auf der fachlichen als auch auf der persönlichen Ebene. Beispielsweise den Mut aufzubringen Fehler konsequent anzusprechen, verändert uns Menschen. Aber auch Wissensaustausch und Kreativität wird gefördert.
Auf der Kennzahlenseite sieht man immer wieder, dass Arbeitsstress, Krankheitstage und Fluktuation reduziert werden bei hoher psychologischer Sicherheit. Zwischenmenschliche «Herausforderungen», wie z. B. geografisch-diverse Teams, zwischenmenschliche Konflikte, Akzeptanz ethnische Vielfalt, können angegangen und überwunden werden. Letztlich führt dies zu einer erhöhten Projekteffektivität, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt und damit auch zu einem höheren finanziellen Ertrag.
Was ist psychologische Sicherheit nicht?
An dieser Stelle ein Wort zu einem klassischen Missverständnis: Psychologische Sicherheit ist nicht gleich (zuckersüsse) Nettigkeit zueinander im Team. Psychologisch sichere Teams zeichnen sich tatsächlich durch einen hohen gegenseitigen Respekt aus, der dazu führt, dass die eigene Sichtweise der Dinge ausgesprochen wird.
Es ist in Ordnung, eine abweichende Meinung zu vertreten. Psychologische Sicherheit hat also nichts mit der Senkung von Qualitätsstandards zu tun. Im Gegenteil geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, das den Menschen erlaubt, ehrlicher zu sein, kritisch zu hinterfragen und Verbesserungsvorschläge zu machen. psychologische Sicherheit ist demzufolge keine Kaffee-Klatsch-Kultur. Selbstverständlich hilft es dabei, wenn der Umgang miteinander angenehm und freundlich ist.
Wie kann ich erkennen, wo mein Team steht?
Im nächsten Blogbeitrag werden wir näher darauf eingehen wie psychologische Sicherheit gemessen und vor allem gefördert werden kann. In diesem Blogbeitrag verraten wir schon mal die drei wesentlichen Kennzeichen der psychologischen Sicherheit:
- Jeder äussert seine Meinung, z. B. in Teammeetings und trägt damit zu einem sinnvollem Wissensaustauch und Risikoeinschätzung bei
- Jeder redet ungefähr gleichviel. Auch dies bezieht sich auf Teammeetings und gemeinschaftliche Kommunikationssituationen. Es geht darum, dass in Diskussionen nicht nur die Meinungsführer gehört werden, sondern alle beteiligten Teammitglieder. Denn schliesslich gibt es einen fachlichen Hintergrund warum die Leute im Team sind.
- Fehler werden zugegeben und angesprochen. Lernen im Team kann nur passieren, wenn auch Fehler geteilt werden und klar wird was ein Fehler ist. Gemeinsames Verarbeiten hilft dabei, dass nicht die gleichen Fehler innerhalb eines Teams gemacht werden und dass aus einem Fehler alle lernen können.
Dies sind drei einfache Kennzeichen, an denen man erkennen kann, wo man steht. Nächstes Mal mehr hierzu, aber vor allem eine kleine Einführung wie man psychologische Sicherheit im eigenen Team fördern kann.
Bild: Roland Samuel on Unsplash
Über Ina Goller
Ina arbeitet seit über 20 Jahren national & international für KMUs und NGOs. Ihre Kernthemen sind Change, Teamarbeit und Führung. Sie forscht und lehrt über Skills im Bereich Kreativität und Innovation. Ihre besondere Leidenschaft ist dabei psychologische Sicherheit.
Über Zuzi Hajickova
Zuzi hat ihre Erfahrungen in HR, Coaching und Eventmanagement für Innovation Labs, Universitäten und Organisationen gesammelt. Ihr Schwerpunkt liegt auf Kreativität, Talentförderung und Mindfulness in der Arbeitswelt.
Referenzen
Duhigg, C. (2016). What Google learned from its quest to build the perfect team. The New York Times Magazine, 26, 2016.
Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative science quarterly, 44(2), 350-383.
Edmondson, A. C. (2018). The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. John Wiley & Sons.
Milliken, F. J., Morrison, E. W., & Hewlin, P. F. (2003). An exploratory study of employee silence: Issues that employees don’t communicate upward and why. Journal of management studies, 40(6), 1453-1476.
Disclaimer: Die Speaker der Lean, Agile & Scrum Konferenz 2020 haben viel Energie und Arbeitszeit in die Vorbereitung ihres Beitrags gesteckt. Leider konnte die Konferenz aus bekannten Gründen nicht stattfinden. Ihre Beiträge erhalten nun entweder im Rahmen dieses Blogs und/oder in anderen Formaten der Fachgruppe Lean, Agile & Scrum die verdiente Bühne.